• Drucken

Der geniale Oskar Werner starb an seiner Sucht
Viel Alkohol am Tisch der Götter

von Harald Frohnwieser

Mit nur 18 Jahren wurde er Mitglied des Wiener Burgtheaters, später drehte er erfolgreiche Filme wie „Der Engel mit der Posaune“, „Eroica“ oder „Reich mir die Hand, mein Leben“ und drehte schließlich in Hollywood mehrere Filme wie „Entscheidung vor Morgengrauen“, „In den Schuhen des Fischers“ oder „Das Narrenschiff“, wofür er als trinkender Schiffsarzt sogar eine Oscar-Nominierung bekam. Doch auch im wirklichen Leben spielte für den genialen Oskar Werner, der es verstand, mit seiner eindrucksvollen Stimme sein Publikum zu verzaubern, der Alkohol leider eine zu große Rolle – der Schauspieler verstarb im Alter von nur 61 Jahren an den Folgen seiner Sucht.

Oskar Werner in „Jules und Jim“ (1962)Es ist Sonntag, der 7. August 1983. Im Brauhofsaal in Krems, Niederösterreich, besteigt ein „gelenksteifes, hageres Greisenmännchen mit angeschminkter Jugendfrische auf den welken Wangen“, wie der Spiegel später schrieb, die Bühne. Kleists „Der Prinz von Homburg“ steht auf dem Programmzettel, doch was die Zuschauer zu sehen bekommen, ist der letzte Akt der tragischen Lebensgeschichte eines einst genialen österreichischen Schauspielers, der es sogar bis nach Hollywood schaffte. Doch nun, mit 6o Jahren, muss der Künstler, der nicht nur wegen seiner Schauspielkunst, sondern auch wegen seiner einprägsamen Stimme zu Wiens größtem Theaterliebling wurde, nach einem längeren Texthänger von der Bühne geleitet werden. Der Alkohol hat seine Spuren unübersehbar hinterlassen. Im Gesicht des Schauspielers, der stets ein Schwieriger war, ebenso wie im Gehirn. Für das Publikum hat sich die „Besichtigungstour zu Österreichs prominentestem Alkohol-Opfer“ (Der Spiegel) dennoch gelohnt. Es sah, was es sehen wollte. War doch der Niedergang des ehemaligen Stars, der schon mit 18 zum Ensemble des berühmten Wiener Burgtheater stieß und dort laut Eigendefinition mit Stars wie Paula Wessely, deren Mann Attila Hörbiger, Hedwig Bleibtreu oder mit dem großartigen Raoul Aslan am „Tisch der Götter sitzen durfte“, voraussehbar. Der Mann, der in jungen Jahren sein Publikum verzauberte, war schon früh dem Alkohol verfallen, was Oskar Werner vor allem in seinen späteren Jahren auch öffentlich zelebrierte.
Am 13. November 1922 in Wien als Oskar Josef Bschließmayer als Sohn eines Versicherungsvertreters und einer Fabriksarbeiterin geboren, wurde er im Volksschulalter nach der frühen Scheidung seiner Eltern zu einem Zerrissenen, der stets zwischen seiner Mutter und seinem Vater hin und her pendelte. Es war eine Märchenvorstellung im Wiener Raimundtheater, der beim damals Vierjährigen den Wunsch, Schauspieler zu werden, auslöste: „Als der Prinz durch den Zuschauerraum ging, wollte ich sofort mitgehen“, erinnerte er sich später in einem Interview. Als er neun war, ahmte er auf der Straße einen blinden Mann derart echt nach, dass ihn ein mitleidiger Passant über die Straße führte. „Ich habe mich noch tagelang nachher geschämt, aber ich hätte nicht anders handeln können“, erinnerte er sich später. Als Zehnjähriger hatte der kleine Oskar bereits ein Stehplatzabonnement im Wiener Volkstheater und wenn er als Junge am berühmtesten deutschsprachigen Theater, dem Burgtheater, vorbeiging, zog er ergriffen seine Mütze.
Mit 18 ans Burgtheater
Mit 16 verdiente er sich als Komparse beim Film ein wenig Geld, doch viel wertvoller für ihn waren die Kontakte, die er dort knüpfen konnte. Mit 18, der Jugendliche war soeben bei der Matura (Abitur) durchgefallen, las er im Radio den Part eines Märchenprinzen und lernte bei der Sendung den Schauspieler Helmuth Krauss kennen, der ihm spontan gratis Schauspielunterricht gab. Bald darauf landete Oskar Werner beim Arbeitsdienst und erlebte eine „militante Unterdrückung“, die höchstwahrscheinlich Auslöser für seinen unbändigen Freiheitsdrang war: „Ich wurde immer zurückgeschliffen und wollte mich umbringen.“
Doch das Glück ließ nicht lange auf sich warten. Helmuth Krauss vermittelte dem 18-Jährigen, der das Gesicht eines Zwölfjährigen hatte, einen Vorsprechtermin bei Burgtheater. „Als man mir sagte, dass ich engagiert bin, habe ich zu zu weinen begonnen“, war er noch Jahre später gerührt ob seines frühen Engagements. Doch es war Krieg, und Oskar Werner musste an die Front, obwohl sein Direktor Lothar Müthel eine Unabkömmlichkeitsstellung durchsetzen wollte. Dennoch trat er zwischendurch immer wieder im Burgtheater auf. 1945 war er in Dresden stationiert, wohin ihn seine erste Frau Elisabeth Kallina, eine Halbjüdin, und die kleine Tochter Eleonore begleitete. Das Ende des Zweiten Weltkrieges war nah, Oskar Werner desertierte vom Heer und flüchtete mit Frau und Kind nach Baden bei Wien.
Freiheit statt Hollywood-Karriere
Gleich nach dem Niedergang des „Tausendjährigen Reiches“ trat der Künstler wieder am Burgtheater auf. 1949 folgte der Startschuss zur internationalen Filmkarriere. In „Der Engel mit der Posaune“ von Karl Hartl spielte Oskar Werner neben Paula Wessely, Attila und Paul Hörbiger, Maria Schell und Hedwig Bleibtreu erstmals eine große Rolle in einem Kinofilm. Mit einem derartigen Erfolg, dass weitere Kinorollen folgten. Vom Burgtheater war er aufgrund größerer Differenzen mit dem neuen Direktor inzwischen ebenso geschieden wie von seiner ersten Frau. Was folgte war ein Siebenjahresvertrag mit Hollywood, der freilich schon bald nach seinem Debüt in der Traumfabrik („Entscheidung vor Morgengrauen“) aufgelöst wurde. Der „Schwierige“ wollte sich nicht so lange binden, wollte frei sein.
Durchzechte Nächte
Und begab sich dennoch freiwillig in die Knechtschaft des Alkohols. Oskar Werner trank schon damals sehr viel, doch seinem jungenhaften Gesicht konnte man dies noch nicht ansehen. In seinem letzten TV-Interview, bei dem er seine Alkoholkrankheit nicht mehr verbergen konnte, erzählte er von vielen durchzechten Nächten in jungen Jahren. Doch er war mit Ende 20, Anfang 30 noch voll von Elan, beruflich wie privat. 1954 heiratete er seine zweite Ehefrau Anne Power, eine Adoptivtochter der US-Filmlegende Tyrone Power. Zwei Jahre zuvor kaufte er ein Haus in Liechtenstein, trat aber trotz seiner zahlreichen Filme, die er drehte (darunter als Mozart in „Reich mir die Hand, mein Leben“, „Spionage“ oder „Der letzte Akt“) immer wieder in Wien auf. Aber trotzdem fühlte er sich unzufrieden, glaubte, in eine Sackgasse geraten zu sein. Er war auf der Flucht und gleichzeitig auf der Suche nach sich selbst. In dieser depressiven Phase, der er nur mit viel Alkohol entkommen konnte, rief ihn sein ehemaliger Burgtheaterdirektor Lothar Müthel nach Frankfurt, wo er ein Theater leitete. Werner spielte unter Müthels Direktion den „Hamlet“. Beim Abschluss des Vertrages floss der Sekt schon am frühen Vormittag, wie Werner sich in einem Fernsehinterview erinnerte.
Selbstzerstörung schritt unweigerlich voran
Auch Frankfurt konnte ihn nicht halten, Oskar Werner blieb ein Ruheloser. Er kehrte nach Wien zurück, trat im Theater in der Josefstadt und bald darauf sogar wieder am Burgtheater auf, gründete sein eigenes Tourneetheaterunternehmen und organisierte in der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck ein Theaterfestival. 1961 bekam er vom französischen Meisterregisseur Francoise Truffaut die Rolle des Jules in „Jules und Jim“, dann ging es wieder nach Hollywood, wo er für „Das Narrenschiff“ vor der Kamera stand und für seine Rolle als trinkender Schiffsarzt eine Oscar-Nominierung erhielt. 1965 drehte er in England „Der Spion, der aus der Kälte kam“, und ein Jahr später in Frankreich „Fahrenheit 451“, wieder mit Truffaut als Regisseur. 1968 arbeitete er wieder in den USA für „In den Schuhen des Fischers“ , dann war acht Jahre lang Schluss mit dem Film.
1966 kam sein Sohn Felix Florian aus einer Beziehung mit Diane Anderson zur Welt, später war Oskar Werner mit der deutschen Schauspielerin Antje Weisgerber liiert. Zu dieser Zeit zog sich der Filmstar immer mehr von seiner Umwelt zurück, seine Zuneigung zum Alkohol entwickelte sich zu einem wahren Exzess. Die Selbstzerstörung, der er sich hingab, schritt unweigerlich voran. „Er war ein Brenner, er hat immer gebrannt“, sagte die deutsche Sopranistin Irmgard Seefried über ihn und hatte damit wohl recht.
Rückzug vom Theater und von der Welt
1970 spielt und inszeniert er am Salzburger Landestheater den Hamlet. Doch sein Alkoholismus ist bereits so weit vorangeschritten, dass er Probentermine sausen lässt, Kollegen müssen einspringen, um die Produktion zu retten. Das Resultat: Werner wurde von den Kritikern buchstäblich in der Luft zerrissen. Die Jahre vergingen und Werner trank immer haltloser. 1975 kehrte er, der sich nun schon lange von der Welt und vom Theater zurückgezogen hatte, nach Wien für eine Lesung zurück. Die 2000 Plätze waren dicht besetzt und das Publikum hörte atemlos zu, wenn der große Oskar Werner, der er ja immer noch war, Texte von Goethe oder Schiller vortrug. Diesmal jubelten nicht nur seine Zuhörer, auch die Kritiker waren von seiner Sprechkunst, die er trotz seiner Alkoholsucht immer noch beherrschte, begeistert. Wieder riefen die Bühnen nach ihm, auch das Fernsehen, doch der nun über 50-jährige Wiener zog sich erneut in seine Welt, in die er niemanden hineinließ, zurück. 1974 spielte er in einer Columbo-Folge mit dem Titel „Playback“ mit.
Noch einmal wollte ihn das Burgtheater verpflichten. Er sollte „Julius Cäsar“ spielen, probte auch dafür, doch die Premiere im Dezember 1983 fand nicht statt. Oskar Werner konnte nicht mehr, der Alkohol hatte ihn so sehr im Griff, dass er sich davon nicht mehr befreien konnte, nicht einmal für eine kurze Zeit. Am 23. Oktober 1984 starb der große österreichische Schauspieler, der so viele Leute mit seiner Kunst begeistern konnte, an Herzversagen einsam in einem Hotel in Marburg an der Lahn in Deutschland.

Foto: Cinédis (1)