Roy Black starb an zu viel Alkohol
Die vielen Black-outs eines Schmusesängers

von Harald Frohnwieser

Er war die deutsche Antwort auf die Beatles oder die Rolling Stones, während die Blue Jeans die Welt eroberten und zu einem Synonym für die Jugendkultur wurde, trug er bei seinen Auftritten Anzug oder Smoking. Und während Filme wie Easy Rider in den Kinos boomten spielte er in seichten Komödien, in denen er seine neuesten Schlager singen durfte: Roy Black zählte in den 1960er und den frühen 1970er Jahren im deutschsprachigen Raum zu den größten Stars seiner Zeit. Als nur ein paar Jahre später seine Musik nichtRoy Black in den Niederlanden (1972) mehr gefragt war, kam der Absturz. Der einstige Schmusebarde trat bei Kaffeefahrten und in Bierzelten auf, um sich über Wasser zu halten. Ertragen konnte er dies nur mit Hilfe von sehr viel Alkohol, an dem er, wie die Bild-Zeitung im Jahr 2011 behauptete, auch zugrunde ging. Roy Black starb am 9. Oktober 1991 einsam in seiner Fischerhütte mit angeblich drei Promille Alkohol im Blut.

Es war ein verregneter Herbsttag im Jahr 1984, als der Autor dieser Zeilen den einst begehrtesten Schlagerbarden seiner Zeit in der Kantine des österreichischen Fernsehens zu einem Interview traf. Roy Black war zum damaligen Zeitpunkt am absoluten Tiefpunkt seiner Karriere angelangt, sang bei sogenannten Kaffeefahrten und in Bierzelten vor betrunkenem Publikum, dass ihn gnadenlos auspfiff, wenn er mit viel zu viel Alkohol im Blut auf der Bühne torkelte. Der ORF hatte wohl Mitleid mit Gerhard Höllerich, wie Roy Black mit bürgerlichem Namen hieß, und lud ihn als Gast in eine Kochsendung ein. Als der Schmusesänger mit einiger Verspätung zum Interview kam, war er unglaublich sympathisch, aber keinesfalls nüchtern. Und er ließ keinen Zweifel daran, dass er sein Leben, so wie es derzeit verlief, abgrundtief hasste. „Was bin ich denn schon?“, fragte er mit schwerer Zunge und gab sich selbst die Antwort: „Ich bin ein abgehalfterter Schlagerfuzzi, der seine beste Zeit hinter sich hat.“ Privat, sagte er, höre er ohnehin lieber Bach oder Beethoven, und eigentlich wollte er nie, wie er erzählte, Schlagersänger werden sondern lieber mit einer Band harte Rockmusik spielen.
Wie es ihm denn ergehe, wenn er seinen größten Hit aus dem Jahr 1966, „Ganz in Weiß“, immer noch singt?, war meine Frage. „Hör auf damit, ich kann diesen Scheiß schon nicht mehr hören“, war seine mehr verzweifelte denn aggressive Antwort, nachdem er sein Bierglas ausgetrunken hatte und gleich für sich und den Interviewer zwei neue Gläser orderte. Nachsatz: „Aber die Menge in den Bierzelten grölt danach, also muss ich das Lied singen, schließlich haben sie dafür bezahlt.“
Er war zu einer tragischen Figur geworden und das Schlimme daran war, dass er dies wusste. Man konnte seinen Schmerz fühlen und er tat einen leid. Er berührte mit seiner offenen Art, mit seinem Galgenhumor, und mit seiner dunklen Aura, die ihn damals umgab.
Am Ende des Interviews war nicht nur Roy Black aufgrund der vielen Biere, die er in diesen eineinhalb Stunden trank, weggetreten, auch der Interviewer war es.
Aus Gerhard Höllerich wurde Roy Black
Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen. Mit seiner Rock'n'Roll-Band „The Honky Tonks“ trat der in Straßberg bei Augsburg am 25. Januar 1965 geborene Gerhard Höllerich neben seinem Betriebswirtschaftsstudium gelegentlich in diversen Kneipen in Augsburg auf, 1963 gründete er mit Freunden die Band „Roy Black and his Cannons“. Roy Black nannte er sich aufgrund seiner Verehrung für sein Idol Roy Orbison und wegen seines Spitznamens „Blacky“, den er wegen seiner schwarzen Haare verpasst bekam. Als der Bayrische Rundfunk von einem Auftritt der Band berichtete, wurde der Plattenproduzent Hans Bertram auf Roy Black aufmerksam und bot ihm einen Plattenvertrag an. Zwar floppten die ersten beiden Singles, doch 1965 kam mit „Du bist nicht allein“ der große Durchbruch. Das Lied schaffte es hinter den Rolling Stones, den Birds und den Rainbows auf den vierten Platz der deutschen Top Ten. Ein Schlagerstar war geboren, während der Rest der Welt im Beat-Fieber lag. Danach ging es Schlag auf Schlag: 1966 erschien „Ganz in Weiß“, das zu seinem größten Hit werden sollte, mehr als 2,5 Millionen Singles wurden verkauft.
Ein Hit folgte dem anderen
Ein Jahr später wirkte der Schmusesänger in dem von Karl Spiehs produzierten Musikfilm „Paradies der flotten Sünder“ mit, weitere von Spiehs produzierten Schlagerfilme wie „Immer Ärger mit den Paukern“, „Hilfe, ich liebe Zwillinge“, „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“ oder „Wenn mein Schätzchen auf die Pauke haut“ folgten. Fast immer an seiner Seite war Uschi Glas, in die sich Black drehbuchgemäß verlieben musste. Glas erzählte 2004 dem Autor dieser Zeilen in einem Interview von ihrer Zusammenarbeit mit der Schlager-Legende: „Roy und ich verstanden uns von Anfang an bestens. Er war total unkompliziert, immer gut aufgelegt und Starallüren waren ihm vollkommen fremd.“ Uschi Glas weiter: „Als wir einmal in einer Buchhandlung einer Stadt einen Autogrammnachmittag gaben, drückten die Leute fast die riesige Auslage ein, so groß war der Andrang.“ Mit Uschi Glas liiert war Roy Black jedoch nur auf der Kinoleinwand, privat zusammen war er mit Silke Vagts, die als Layouterin beim der deutschen Teenie-Magazin „Bravo“ arbeitete.
Neben seinen Filmen landete der Sänger einen Hit nach dem anderen: Ob „Das Mädchen Carina“, „Eine Rose schenk ich dir“, „Ich denk an dich“ oder „Dein schönstes Geschenk“ brachten unzählige Mädchen zum Träumen.
Pleite, Trennung und viel Alkohol
Doch Anfang der 1970er Jahre kam der Abstieg. Mit der damals zehnjährigen Schwedin Anita sang Roy Black 1971 das Duett „Schön ist es auf der Welt zu sein“, ein nettes Kinderlied, aber mit dem Image des des charmanten Herzensbrechers war es dahin. Roy Black als Kinderonkel war nicht gefragt. Obwohl sich der Titel lange in den Charts hielt, sollte das Lied für lange Zeit der letzte große Erfolg sein. Dazu kam, dass Roy Black einen Großteil seines Vermögens in Immobilien auf Mallorca verspekulierte. Seine Berater steckten das Geld des Sängers in die eigene Tasche anstatt in den Bau von Ferienwohnungen. Der Sänger war gezwungen, einen Auftritt nach dem anderen zu absolvieren, doch es kamen immer weniger Leute. Was folgte, waren Gigs in Bierzelten oder Gastauftritte bei Kaffeefahrten, bei denen der einstige Liebling der Nation mit alten Damen tanzen musste. Sein Manager und Produzent Hans Bertram trennte sich 1974 von ihm, ein paar Monate später heiratete Roy seine Silke, Sohn Thorsten kam 1976 zur Welt.
Zwar gab es immer wieder musikalische Lebenszeichen von ihm, aber an seine großen Erfolge konnte Roy Black nicht mehr anschließen. Erschütternd waren die Bilder, die den einstigen Star sturzbetrunken und torkelnd auf der Bühne eines Zeltfestes zeigten. Dazu die gellenden Pfiffe des Publikums. Die Black-outs häuften sich, Roy Black bekam schwere Herzbeschwerden und musste mehrmals operiert werden. Dazu die private Misere: 1985 wurde seine Ehe mit Silke geschieden.
Werbung für Kräuterlikör
Er warb für eine Firma, die einen Kräuterlikör herstellt. „Ich, Gerd Höllerich, trinke Jägermeister, weil die Leute mich immer mit Roy Black verwechseln“, sagte er und alle fanden das lustig. In Wahrheit waren es wohl die Worte eines Verzweifelten. Es waren die Worte eines Mannes, der Alkoholexzesse lieferte, obwohl er aufgrund seines Herzfehlers gar nichts trinken durfte.
Doch 1990 kam sein großes Comeback. Karl Spiehs, der für den Privatsender RTL die am Kärntner Wörthersee spielende TV-Serie „Ein Schloss am Wörthersee“ produzierte, holte Roy Black allen Unkenrufen zum Trotz wieder vor die Kamera. Am Tag der Ausstrahlung schrieb das deutsche Massenblatt Bild-Zeitung vom größten TV-Flopp, der bevorstünde, doch die Reaktionen der Zuschauer waren sensationell: Roy Black spielte sich als Hotelbesitzer Lennie Berger in die Herzen der Zuschauer. Er war wieder gefragt, gab neben den Dreharbeiten wieder Konzerterte und fand in Carmen Böhning eine neue Liebe. Am 14. September 1991 kam Tochter Nathalie zur Welt, nur ein paar Wochen später zog sich der wiederauferstandene Star an einem Freitag nach den Dreharbeiten für die nächste „Schloss am Wörthersee“-Staffel in seine Fischerhütte in Bayern zurück. „Es war irgendwie gruselig“, erinnerte sich Regisseur Otto Retzer in einem Gespräch mit dem Autor dieser Zeilen an den letzten Drehtag zurück, „Roy verabschiedete sich von der Crew ganz anders als sonst. Viel intensiver, und auch irgendwie traurig. Als ob er wüsste, dass er uns alle nie wieder sehen wird.“
Einsamer Tod mit drei Promille Alkohol im Blut
Am 9. Oktober 1991 starb Roy Black im Alter von nur 48 Jahren, gefunden wurde er von seinem Bruder Walter. Zwanzig Jahre später titelte die „Bild-Zeitung“, dass sich der Sänger mit vier Promille Alkohol im Urin und drei Promille Alkohol im Blut zu Tode trank. „Es war ein Wert, der üblicherweise nur bei vorliegender Alkoholkrankheit erreicht wird“, wird Rechtsmediziner Professor Wolfgang Eisenmenger, der den Leichnam obduzierte, von „Bild“ zitiert.
Den Fans ist das egal. Immer noch pilgern viele Menschen, die mit seiner Musik erwachsen geworden sind, zu seiner Grabstätte in seinem Heimatort Straßberg, auf zahlreichen Internet-Seiten geben sie Ausdruck ihrer Trauer. „Roy, Dich kann man einfach nicht vergessen! Du bleibst immer in unseren Herzen!“, schreibt eine seiner Anhängerinnen und spricht wohl zahlreichen Fans aus den Herzen.
Gerhard Höllerich steht auf dem Grabstein und nicht die Kunstfigur „Roy Black“, die er mehr gehasst als akzeptiert hatte. In seiner Trauerrede sagte Thomas Gottschalk: „Als Gerhard Höllerich verstand er es, anderen Hoffnung und Mut zu machen. Obwohl er selbst ohne Hoffnung war. Als Roy Black hat er gestrahlt und wurde bewundert. Obwohl er selbst gelitten hat und voller Zweifel war. Mögen die beiden in der Ewigkeit zusammenfinden.“

Foto: commons.wikimedia.org / Verhoeff, Bert / Anefo (1)