Die Alkoholexzesse des Rolling Stones Gitarristen
Ein medizinisches Wunder namens Keith Richards

von Werner Schneider

Am 18. Dezember 2013 titelte Abendblatt.de reißerisch: „Sensation! Keith Richards ist 70 geworden.“ Und enthüllte: „… wobei Alkohol für ihn nie zu den Drogen zählte. Der kam immer obendrauf.“ Am 7. September 2015 widmet die angesehene New York Times dem Gitarristen der Rolling Stones gleich einen Fünfspalter mit Keith Richards Solo-Album „Crosseyed Heart“dem Titel „It‘s Solo Rock’n’Roll, but Keith Likes It.“ Der Mann, der so oft totgesagt wurde, dass es an eine Sensation grenzte weil er 70 Jahre alt wurde, hatte sein 3. Solo-Album mit seinen unnachahmlichen Riffs aufgenommen. Journalisten empfing er im Manhattan-Büro seines Managers, „abwechselnd zwischen einer Marlboro und einem Drink“.

Keith Richard wurde am 18. Dezember 1943 in Dartford in der englischen Grafschaft Kent geboren. Er lebte kein sonderlich aufregendes Leben – außer, dass er einmal im Knabenchor vor der Queen sang – studierte in Sidcup Kunst und eine Bahnfahrt veränderte sein Leben. Am Bahnhof traf er einen Kumpel, den er seit den Kindergartenzeiten kannte und den er aus den Augen verloren hatte: Mick Jagger. Daraus sollte die erfolgreichste Songwriter-Karriere – vielleicht mit Ausnahme von John Lennon und Paul McCartney – entstehen.
Die Rolling Stones waren im Gegensatz zu den Beatles nie angepasst. Sie trugen ihre langen Haare nicht frisiert, sie traten nie in Anzügen auf und sie wurden von Anfang an mit Drogenexzessen in Verbindung gebracht. Ihre Songtexte waren provokant.
Keith Richards wurde wegen Heroinbesitzes verurteilt. Das sollte ihn nicht abhalten, sich alles hineinzuziehen, was der Markt bot: Heroin, Kokain, LSD und Marihuana. Und ständiger Begleiter war der Alkohol. Einige Zeit lang konnte man nicht sagen, ob Richards zugedröhnt oder sternhagelvoll war. Damals, in der Frühzeit der Rolling Stones, prophezeite man Keith – er war erst 25 Jahre alt – nur noch ein kurzes Leben. Lead Gitarrist Brian Jones, den man wegen seiner Drogenexzesse aus der Band geworfen hatte, starb 1969 in seinem Swimming Pool, im Drogen- und Alkoholrausch ertrunken. Viele Rockgrößen erlebten ihren 30. Geburtstag nicht: Janis Joplin, Jimi Hendrix, Jim oder Morisson von The Doors. „Ich muss gestehen, ich war sehr daran interessiert, was ich nehmen und dann machen konnte. Ich habe meinen Körper als Labor gesehen – ich habe mir alles mögliche eingeworfen, um zu sehen, was passiert. Ich war fasziniert davon“, gestand Richards in einem Interview.
Star-Fotografin wegen Richards alkoholkrank
Die Rolling Stones hatten am Anfang fast ausschließlich gecovert und damit sensationelle Erfolge gefeiert. Etwa mit Little Red Rooster. Ihr Manager ermutigte sie, selbst zu komponieren und zu texten. Damit kam dann das große Geld. „Satisfaction“ spielte sich an die Spitze fast aller namhaften Charts. Stones-Konzerte waren immer restlos ausverkauft.
Die Starfotografin Annie Leibovitz – berühmt für ihr Foto von John Lennon, der sich nackt und in Embryonalstellung an Yoko Ono anschmiegt, aufgenommen fünf Tage vor Lennons Ermordung – machte für das angesehene Musik-Magazin Rolling Stone eine Tournee mit den Rolling Stones mit. Es wurden sensationelle Reportagen. Doch Leibovitz kam alkoholkrank und drogensüchtig von der Tour zurück und musste monatelang auf Entzug.
Im Rausch von Palme gestürzt
Keith Richards, der sich rühmte immer nur die beste Qualität bei Drogen und Alkohol zu konsumieren, brachte manche Stones Tournee zu Fall. 2006 war er im Rausch auf eine Palme geklettert und abgestürzt, er zog sich eine schwere Schädelverletzung zu. Schon 1998 kippte er, nachdem er einige Drinks zu viel gekippt hatte, in seiner Bibliothek von der Leiter. Er brach sich zwei Rippen und ein Tourneestart musste abgesagt werden. Heroin, so sagte Richards einmal, hätte ihn auf viele Ideen gebracht. Alkohol mache nur high. Und genau dieses Gefühl liebte der Stone mit dem Gesicht, das wie ein trocken gelegter Sumpf aussieht.
Keith und Ronnie auf Alkoholentzug
Mit Ron Wood kam 1975 ein neues Mitglied in die Band (Gitarrist, Brian Jones und Mick Taylors-Nachfolger), der dem Alkohol ebenfalls heftig zusprach. Am 9. Februar 2010 glaubte der Internetdienst Wunderweib zu wissen: „Ronnie Wood und Keith Richard helfen sich beim Alkoholentzug“. Und man geizte nicht mit Details: „Die zwei Gitarristen der Rolling Stones waren sich seit Woods Trennung von seiner Frau Jo im vorletzten Jahr eigentlich nicht mehr ganz grün gewesen, da Richards die Affäre seines Bandkollegen mit der Cocktailkellnerin Katia Ivanova nicht guthieß. Nun haben die beiden Altmusiker sich jedoch wieder versöhnt und wollen sich gegenseitig helfen, die Finger vom Fusel zu lassen … Ein Insider verrät dem Daily Express: „Sie haben beide vor kurzem den Alkohol aufgegeben.“ Und weiter: „Keith hat es immer genossen, mit dem Trinken weiterzumachen, ohne dass es ernste Auswirkungen auf seine Gesundheit hatte. Aber er hat genau mitverfolgt, was passierte, als Ronnie im letzten Jahr wieder zur Flasche griff, und es entsetzte ihn.“
Da haben Wunderweib und Daily Express die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Hält nichts von Entzugskuren
Zwar berichtetet auch die Boulevardzeitung Sun, dass Richards vier Monate lang keinen Tropfen angerührt habe. Vielleicht waren das PR-Meldungen für die Veröffentlichung seines Memoirenbandes „Life“, für den er immerhin 4,8 Millionen Pfund Vorschuss kassiert hatte. Das Werk verkaufte sich unter den Fans phantastisch. Doch der Times verriet der Alt-Stone: Er nehme keine Drogen mehr, weil er schon alles ausprobiert habe. „Aber wenn sie etwas Neues erfinden, stehe ich zur Verfügung, um es zu testen.“ Und der Bunten in Deutschland sagte es Keith Richards noch deutlicher: „Ich hasse diese ganze Idee von Entzugskuren und davon, etwas sein zu lassen, denn das heißt doch nur, dass du davon besessen bist. Wenn ich zu viel trinke, dann trinke ich eben weniger.“ Im selben Atemzug gibt er zu, kein Heroin mehr zu nehmen, aber: „Alkohol und Marihuana gehören allerdings immer noch zu meinem Leben.“
Sturzbetrunken auf der Bühne
Der Alkohol spielte nicht nur abseits der Bühne eine wichtige Rolle in Keith Richards Leben, er nahm ihn auch zu den Auftritten mit. Bei einem Konzert 2007 in Helsinki (Finnland), so weiß es die Sun, kam „Keith Richards sturzbetrunken auf die Bühne“. Das Desaster liest sich im englischen Blatt so: „Ein Augenzeuge sagte dazu: ‚Mick und Ronnie sahen nicht gerade erfreut aus. Mick musste Keith einmal festhalten, damit er nicht von der Bühne fällt. Ein anderes Mal stolperte er seitlich und nur das Geländer bewahrte ihn davor, ins Publikum zu fallen. Die Roadies hielten ihn fest, während er sich die Gitarre umhängte. Er spielte dann ziellos drauflos.‘ Jagger sei aber brillant gewesen und habe die Show gerettet.“
Vor ähnlichen Eskapaden will sich jedenfalls die Versicherung schützen. Zum 70er bekam Keith Richards unangenehme Post, wie das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ weiß: „Keith Richards, 70, Gitarrist der Rolling Stones und legendärer Rockexzentriker, darf sich nicht mehr jeden Exzess erlauben. Sollte Richards wegen ‚Alkoholmissbrauch, Leberversagen und/oder –krankheit und Arthritis‘ ein Konzert absagen müssen, haftet er nämlich selbst. Diese Klausel wurde bekannt, als die Band jetzt vor einem Londoner Gericht ihre Tourversicherungsverträge offen legen musste. Auch Spätfolgen von Richards‘ Unfall im Jahr 2006 – damals stürzte er von einer Palme und wurde am Gehirn operiert – sind nicht versichert.“
Die Stones waren seither wieder auf Tour, Richards glänzte nach wie vor mit seinen Riffs und er ließ sich mit einem Whiskyglas fotografieren. Dass, wie es oft hieß, nur Kamillentee drinnen war, ist eher unwahrscheinlich.

Foto: keithrichards.com (1)