Liza Minnelli, 70, machte nie ein Geheimnis aus ihrer Sucht
Keine anonyme Alkoholikerin

von Harald Frohnwieser

„Life is a Cabaret“, sang sie 1972 unter der Regie von Bob Fosse in dem Filmmusical „Cabaret“. Sie erhielt für ihre Rolle als Varietégirl Sally Bowles nicht nur einen „Oscar“, sie katapultierte sich damit auch in den Olymp des Showbusiness. Ein Platz, den ihr bis heute niemand streitig machen konnte. Liza Minnelli, die am 12. März 1946 in Los Angeles, USA, geboren wurde, konnte an den Filmerfolg zwar nie wieder so richtig anschließen, doch der charismatische Showstar begeisterte in zahlreichen Bühnen- und Fernsehshows immer wieder seinLiza Minnelli (2008) Publikum. Das auch dann treu zu ihr hielt, wenn ihr Problem mit dem Alkohol wieder einmal nicht in den Griff zu bekommen war und öffentlich gemacht wurde. Nach zahlreichen Entziehungskuren ist die Tochter von Sängerin und Schauspielerin Judy Garland („Der Zauberer von Oz“, „Easter Parade“), die selbst dem Alkohol verfallen war, nun wieder einmal trocken.

Damit das auch so bleibt, besucht Liza regelmäßig die Meetings der Anonymen Alkoholiker. Eines ist sicher: anonym wird die Siebzigjährige dabei sicher nicht sein. Doch das ist dem Ausnahmetalent egal: Liza Minnelli hat aus ihrer Sucht noch nie ein Geheimnis gemacht und spricht auch in Interviews ganz offen darüber.
Als der Autor dieser Zeilen im November 1995 den Weltstar bei der Aufzeichnung in der Wiener Stadthalle zur allerletzten „Peter-Alexander-Show“ zum Interview traf, war das Zerbrechliche an Liza Minnelli unübersehbar. Obwohl von einem Heer von Bodyguards umgeben, wirkte sie fast schüchtern und auch irgendwie einsam. Geduldig, freundlich, nett und bescheiden. Und doch unerreichbar. Sie lobte Wien ebenso wie Gastgeber Alexander, mit dem sie in der Show „There's No Business Like Showbusinness“ sang, sie war ganz angetan vom Publikum und von der Show im Allgemeinen. Aber bei aller Freundlichkeit umgab sie dennoch die Aura der Unberührbaren. Liza Minnelli war damals trocken – und künstlerisch in Höchstform.
Doch das war nicht immer so. „Diese Krankheit wuchert sich durch mein gesamtes Leben. Ich habe sie geerbt und es ist grauenhaft. Aber ich bitte immer um Hilfe“, sagte sie 2008 in einem Interview. In dem selben Gespräch gab sie auch zu, so wie ihre Mutter Probleme mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zu haben. Seit dem frühen Tod ihrer Mutter – Judy Garland starb 1969 im Alter von nur 49 Jahren an einer Überdosis Schlaftabletten – schluckte Liza regelmäßig Valium.
Mutter und Tochter gemeinsam auf der Bühne
Liza May Minnelli wurde am 12. März 1946 als Tochter der Schauspielerin und Sängerin Judy Garland und des 1986 verstorbenen Regisseurs Vincente Minnelli in Los Angeles geboren. Minnelli beschrieb ihre Mutter später als streng und ehrgeizig, wogegen sie beim Vater ihre Träume ausleben durfte. Nach der Scheidung ihrer Eltern im Jahr 1951 wuchs Liza abwechselnd bei ihrer Mutter und bei ihrem Vater auf. Eine Zerrissene, schon damals. Bereits mit drei Jahren war sie in der Schlusssequenz des Musicalfilms „Damals im Sommer“ kurz zu sehen, erhielt bald danach Tanzunterricht und trat im Alter von 13 Jahren gemeinsam mit ihrer Mutter auf. Mit 18 nahm sie ihr erstes Soloalbum mit dem Titel „Liza! Liza!“ auf, ein Jahr später spielte sie in einem Broadway-Musical die Hauptrolle. 1968 nahm Minnelli das Angebot an, in der Literaturverfilmung „Pookie“ die Titelrolle zu spielen und erntete dafür seitens der Kritiker großes Lob. Zwei Jahre zuvor hatte sich der spätere Weltstar für das Broadway-Musical „Cabaret“ mehrmals um die Rolle der Sally Bowles bemüht, wurde aber jedes mal abgelehnt, da sich die Produzenten eine britische Schauspielerin wünschten. Dennoch nahm Minnelli den Titelsong in ihre Repertoire auf. Mit Erfolg. Nachdem die Produzenten der Kinoversion 1969 Minnelli bei einem Konzert in Paris erlebten, boten sie ihr spontan die begehrte Rolle an. Der Rest ist Geschichte. Es folgten umjubelte Broadway-Auftritte in dem Musical „Chicago“ und eine Hauptrolle in Martin Scorseses Erfolgsfilm „New York, New York“ an der Seite von Robert de Niro.
Kronprinzessin von Hollywood
Ihre Freunde beschreiben sie als liebenswürdig, aber sehr verletzlich. Mit großem Engagement unterstützt Liza Minnelli Nachwuchstalente und setzt sich für hirngeschädigte und krebskranke Kinder ein. Ein Leben in Superlativen. Neben dem „Oscar“ bekam sie auch den „Grammy“ sowie den „Tony Award“, ein begehrter Theater- und Musicalpreis. Ausverkaufte Shows, umjubelte Tourneen mit Frank Sinatra und Sammy Davies junior. Fred Astaire sagte einmal über sie: „Wenn Hollywood eine Monarchie wäre, würde Liza unsere Kronprinzessin sein.“
Bei den Anonymen Alkoholikern
Und nach all den Höhenflügen folgten regelmäßig die Abstürze. Gescheiterte Beziehungen, drei Scheidungen, Fehlgeburten, Alkohol, Medikamente. Und zwischendurch immer wieder Entziehungskuren. Nach all den Exzessen entschloss sich Liza vor einigen Jahren, die Meetings der Anonymen Alkoholiker zu besuchen. „Das ist der einzige Ort, an dem ich mal anonym bin“, sagte sie lachend in einem Interview mit der Zeitschrift „Brigitte“. Wobei ihr bewusst ist, dass sie mit ihrer Suchtkrankheit nicht spaßen darf: „Alkoholismus ist eine ernste Krankheit. Wer davon keine Ahnung hat, glaubt, es ginge hier um reine Entscheidungskraft. Das ist falsch. Ich habe einen wirklich großen Willen, all meine Preise hätte ich sonst nicht bekommen. Wenn man dies mit dem eigenen Willen ändern könnte, glauben Sie, ich wäre noch alkoholkrank? Es kostet mich die meiste Disziplin, nicht zu trinken.“
Kämpfernatur mit viel Disziplin
Disziplin hat sie, das ist keine Frage. „Ich kämpfe! Wenn jemand einem meiner Freunde etwas tut, wirst du den Tiger kommen sehen“, erinnert sie an eine Zeile des „Cabaret“-Songs. In dem Song erzählt Liza als Sally Bowles auch von einer Freundin namens Elsie, die an zu viel Pillen und Likör starb, aber dennoch die „glücklichste Leiche war, die sie jemals gesehen hatte.“
Glücklich kann man das Leben der Minnelli vielleicht nicht nennen, dazu war bereits ihre Kindheit zu sehr geprägt von der Sucht ihrer berühmten Mutter. Deren Selbstmordversuche, die sie im Beisein ihrer Tochter unternahm. „Bis zu ihrem Tod habe ich ihre Versuche nie ernst genommen“, erzählte sie einmal einem Journalisten, „es war ihre Methode, Aufmerksamkeit zu bekommen. Man zieht nicht sein schönstes Nachthemd an, richtet seine Haare und legt falsche Wimpern an, wenn man ernsthaft daran denkt, sich umzubringen.“ Auch der letztlich tödliche Mix aus Alkohol und Schlaftabletten am 22. Juni 1969 war kein Selbstmordversuch sondern ein Unfall.
Liza sagte einmal über ihre Mutter: „Sie lebte acht Leben in einem.“
Eine Aussage, die freilich auch auf sie zutreffen könnte.

Foto: commons.wikimedia.org / The Heart Truth (1)