Freie Alkoholtherapiewahl innerhalb der EU
Recht auf Behandlung ist garantiert

von Harald Frohnwieser

Mit der EU sind viele Bürger unzufrieden. Viel zu viel Bürokratie, unsinnige Verordnungen („Gurkenkrümmung“), Geldverschwendung. Das werfen EU-Kritiker den Abgeordneten in Brüssel gerne vor. Doch die EU hat auch ihre Vorteile. Eines davon ist das Recht, dass man sich in jedem EU-Land medizinisch behandeln lassen kann, wobei die Kosten von den heimischen Krankenkassen übernommen werden müssen. Das gilt auch für Alkoholkranke, die auf der Suche nach einer geeigneten Therapie sind und in ihrem Heimatland oft lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. „Alk-Info“ erklärt, wie das funktioniert.

Europäische Union (EU)Erich ist verzweifelt. Seit vielen Jahren vom Alkohol geprägt, hat er sich endlich dazu entschlossen, eine stationäre Therapie zu machen. „Ab jetzt ist Schluss mit dem Saufen“, schwor er sich nach einem Unfall im Alkoholrausch, bei dem er fast einen Fußgänger mit seinem Auto überfahren hätte. Erich will Schluss machen, hat aber keine Ahnung, wie er das hinkriegen soll. Doch dafür gibt es ja die Profis, hat er sich gedacht. Doch die Ernüchterung erfolgt schon nach dem ersten Telefonanruf in einer Suchtklinik. „Derzeit haben wir kein Bett frei, Sie können frühestens in sieben, acht Wochen bei uns aufgenommen werden“, hat man ihm gesagt. Sieben, acht Wochen! Der gelernte Tischler will jetzt mit dem Trinken aufhören und nicht erst in zwei Monaten.
Aber es gibt einen Ausweg für den alkoholkranken Familienvater. Erich könnte theoretisch seine Abhängigkeit vom Alkohol in jeder Suchtklinik innerhalb der Europäischen Union behandeln lassen. Ohne dafür die Kosten selbst zu tragen, denn die müssen von der Krankenkasse, bei der Erich in seinem Heimatland versichert ist, übernommen werden. Wie das funktioniert, darüber gibt eine Broschüre der EU (http://ec.europa.eu/health/cross_border_care/docs/cbhc_leafletet_de.pdf) Aufschluss.

Erste Schritte

1.) Zunächst wird empfohlen, die geplante Behandlung mit einem Vertrauensarzt (praktischer Arzt, Psychiater etc.) zu besprechen.

2.) Ist dies erfolgt, sollte die Behandlung sorgfältig geplant werden, indem man sich über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten genau informiert. Befunde, Patientenakten (müssen ausgehändigt werden!), Medikamentenlisten sollten, sofern vorhanden, zusammengetragen werden. Das erspart den ausländischen Ärzten viel Arbeit.

3.) Dann sollte geprüft werden, ob eine Überweisung eines praktischen Arztes notwendig ist. Die Angaben, die die in Frage kommende Klinik macht, sollten wenn möglich genau überprüft werden. Vielleicht gibt es im Internet Erfahrungsberichte anderer Patienten. Auch gibt es in dem gewählten EU-Land, in dem man behandelt werden will, Kontaktstellen der dortigen Krankenversicherungen, die Auskünfte darüber erteilen, ob eine Klinik die dafür notwendigen Standards erfüllt und ob sie auch befugt ist, die Behandlung durchzuführen.

Mitgliedsstaaten der EU und Beitrietskandidaten / eeas.europa.euFinanzierung

1a) Nun ist es wichtig, dass man genau weiß, was die stationäre Behandlung kosten wird und ob die zuständige Krankenkasse im Heimatland die Kosten vorab bezahlt oder später rückerstatten wird.

1b) Bei einer Rückerstattung muss man die Kosten zunächst der Klinik selbst bezahlen, die Krankenkasse überweist nach Vorlage des Zahlungsbeleges die Kosten auf das Konto des Patienten.

2.) Weiters sollte nachgefragt werden, ob man eine Genehmigung von der zuständigen Krankenkasse braucht.
Erfolgt eine Behandlung jedoch in einem Land, in dem die Patienten normalerweise die Behandlung selbst bezahlen und diese Kosten danach von ihrer Krankenkasse zurückerstattet bekommen, muss man gegebenenfalls die Kosten selbst tragen. Dann sollten in diesem Land eine Rückerstattung beantragt werden. Die Behörden dieses Landes erstatten dann die Kosten unmittelbar zu denselben Sätzen wie den Einwohnern dieses Landes. Alternativ dazu kann man die Rückerstattung auch bei der heimischen Krankenversicherung beantragen. Liegt der Rückerstattungssatz für die Behandlung im Ausland in dem Land, in dem man versichert ist, höher, dann muss die Krankenkasse den Unterschied erstatten.

3.) Bestimmte Kosten wie zum Beispiel die Anreise muss man eventuell selbst tragen.

Nach der Behandlung

* Es sollte im Vorhinein mit der Klinikleitung vereinbart werden, dass man nach Abschluss der Behandlung ein Behandlungsprotokoll ausgehändigt bekommt.

* Wenn die Klinik ein Rezept ausgestellt hat, so ist es wichtig, dass man eine grenzüberschreitende Verschreibung bekommt. Denn nach EU-Recht müssen Rezepte bestimmte Mindestangaben enthalten, damit sie in jedem Land anerkannt werden können.

* Es sollte im Voraus eine geeignete Nachbehandlung im Heimatland sicher gestellt sein.

Ablehnung nicht akzeptieren!
Krankenkassen lehnen erfahrungsgemäß gerne einen Antrag auf eine Auslandsbehandlung ab. Doch das muss nicht akzeptiert werden, jeder EU-Bürger hat das Recht, sich in jedem beliebigen anderen EU-Land behandeln zu lassen. Im Wortlaut heißt es: „Wenn Sie in Ihrem Versicherungsland (das Land, in dem sie krankenversichert sind) Anspruch auf eine bestimmte Behandlung haben, dann haben Sie auch Anspruch auf Erstattung der Kosten, wenn die Behandlung in einem anderen Land erfolgt.“
Und weiter: „Die Kosten werden bis zu der Höhe erstattet, in der sie auch für eine entsprechende Behandlung im Inland übernommen würden. Sie können den Gesundheitsdienstleister (Arzt, Klinik etc.) frei wählen, unabhängig davon, ob öffentlich oder privat.“ Aber: Bestimmte Spezialbehandlungen, die oft sehr teuer sind, muss man sich von der heimischen Krankenkasse unbedingt genehmigen lassen. Wird eine solche nicht erteilt, dann kann die Rechnung dafür ziemlich hoch sein.
Rechte müssen unterstützt werden
Auf eines weist der Ratgeber der EU ganz genau hin: Muss im Versicherungsland eine medizinisch nicht zu vertretende Wartezeit in Kauf genommen werden, so muss die Auslandsbehandlung auf jeden Fall genehmigt werden. In einem solchen Fall hat man unter Umständen sogar einen höheren Erstattungsanspruch für die Behandlungskosten. Und da es bei Alkoholismus nicht selten um Leben und Tod geht (Verletzungen, Unfälle, schwere organische Schäden usw.) wird die zuständige Krankenversicherung nicht umhin kommen, die Behandlung im EU-Ausland zu genehmigen. Aber das muss sie sowieso, denn: „Das EU-Recht verpflichtet Krankenversicherer, Gesundheitsbehörden und Gesundheitsdienstleister, Sie bei der Wahrnehmung dieser Rechte zu unterstützen.“
Es gibt auch das Recht auf Informationen über de in Frage kommenden Behandlungsmöglichkeiten, die Qualitäts- und Sicherheitsstandards des Gesundheitswesens in anderen EU-Ländern und darüber, ob ein bestimmter Anbieter berechtigt ist, medizinische Leistungen zu erbringen.
Erich kann sich also an die Arbeit machen. Er wird vielleicht mit der einen oder anderen Hürde konfrontiert werden, aber das müsste ihm ein trockenes, zufriedenes und vor allem gesünderes Leben wert sein.

Info: www.europa.eu/youreurope/citizens/health/planned-healthcare/index_de.htm

Grafik: eeas.europa.eu (1)