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Ab wann ist man alkoholsüchtig?
Wenn die Alarmglocken läuten

von Harald Frohnwieser

Etwa 8,5 Millionen Menschen in Deutschland trinken so viel Alkohol, dass der Konsum als riskant eingestuft werden muss, in Österreich sind es neben den 360.000 an Alkoholismus erkrankten Menschen ungefähr 850.000, deren Trinkverhalten als äußerst bedenklich eingestuft werden muss. In der Schweiz gelten 250.000 Eidgenossen als alkoholkrank, wie viele Menschen einen riskanten Umgang mit Bier, Wein und Schnaps haben, weiß man nicht genau, doch eine Umfrage hat ergeben, dass in etwa jeder fünfte Befragte mehr trinkt als ihm guttut. Ab wann aber wird aus einem harmlosen Alkoholgenuss eine Alkoholsucht und welche Anzeichen gibt es dafür?

Othmar B. war mehrere Jahre lang das, was man einen Genusstrinker nennt. Hin und wieder ein Glas Wein mit Freunden, ab und zu gönnte er sich sein Feierabendbier mit den Kollegen und wenn eine Geburtstagsfeier an stand konnte es schon mal vorkommen, dass er einen kleineren oder auch größeren Rausch hatte. Alles ganz normal bisher. Doch als Othmars neuer Chef ihn unter Druck setzte, gewöhnte der damals 35-Jährige sich an, seinen Ärger mit Alkohol runter zu spülen. Anfangs nur hin und wieder, irgendwann aber dann täglich. Schon bald merkte der Abteilungsleiter, dass er ohne einen kleinen Schwips nicht mehr einschlafen konnte. Und so begann ein sich nach unten drehender Kreislauf, der schließlich in einer schweren Abhängigkeit endete. Jetzt ist Othmar B. Patient in einer Entzugsklinik, da er einsehen musste, dass er schon seit mehreren Jahren ohne den Alkohol nicht mehr funktionierte. „Ich habe es einfach nicht gemerkt, dass ich von dem Zeug abhängig geworden bin“, sagt er heute. Und seine Frau sagt: „Wenn ich nur die Anzeichen rechtzeitig erkannt hätte, dann hätte ich meinem Mann helfen können, seinen Umgang mit dem Alkohol rechtzeitig zu ändern.“
In der Tat ist es für jeden Betroffenen, aber auch für die Angehörigen sehr schwer, die ersten Alarmzeichen zu beachten. Denn Alkoholismus ist eine schleichende Sucht, die sich in den meisten Fällen langsam entwickelt. Niemand wacht nach seinem ersten Drink am nächsten Morgen auf und ist Alkoholiker. Fachleute unterscheiden bei den verschiedenen Trinkmustern zwischen „Gebrauch“, „Missbrauch“ und „Abhängigkeit“.

Alkoholgebrauch: Wenn der Alkoholkonsum unter Kontrolle bleibt, so spricht man von einem Alkoholgebrauch. Dazu zählt ein Gläschen zum Essen, zum Genießen und in Gesellschaft.

Alkoholmissbrauch: Wer seinen Stress mit Alkohol bekämpft, sich betrunken hinters Lenkrad setzt, bei der Arbeit trinkt oder – bei Frauen – während der Schwangerschaft Alkohol konsumiert und wer seinem Körper und seinem Geist regelmäßig aufgrund seines Alkoholkonsums Schaden zuführt, dann spricht man von einem Alkoholmissbrauch.

Alkoholabhängigkeit: Fachleute sagen, dass jemand als alkoholabhängig bezeichnet wird, der länger als ein Jahr große Mengen Alkohol konsumiert, die Kontrolle über seinen Alkoholkonsum verloren hat, und immer größere Mengen braucht, damit er im Alltag bestehen kann und sich körperlich, sozial, geistig und seelisch schädigt. In diesem Stadium streiten die meisten Alkoholiker ihre Sucht jedoch lange Zeit ab und behaupten, dass sie jederzeit ihr Trinkverhalten stoppen können. In Wirklichkeit befinden sie sich aber in einem Kreislauf, der nach unten führt. Verlust des Arbeitsplatzes, Trennungen und Isolation sind meist die Folgen ihres exzessivem Alkoholkonsums.

Doch wie erkennt man die ersten Anzeichen für eine beginnende Sucht? Welche körperlichen Hinweise sollte man unbedingt beachten?

* Appetitstörungen, besonders am Morgen. Trotzdem legt man an Gewicht (Alkoholkalorien) zu, obwohl man weniger als gewohnt isst. Später deutlicher Gewichtsverlust bis hin zur Abmagerung. Verdauungsbeschwerden, Blähungen, wässriger Durchfall, Völlegefühl, ständiges Aufstoßen

* Regelmäßige Übelkeit und Brechreiz am Morgen (Trockenwürgen)

* Schlafstörungen über einen längeren Zeitraum. Obwohl man lange geschlafen hat, fühlt man sich nicht ausgeruht und völlig zerschlagen

* Ständiges Durstgefühl

* Dauerhaftes starkes Schwitzen ohne körperlicher Anstrengung

* Stechen und Klopfen in der Herzgegend, unregelmäßigen Herzschlag und Atemfrequenz

* Schwindel, Schwächezustand, Kreislaufstörungen

* Atemnot, chronische Bronchitis

* Nicht erklärbare Entzündungen von Nase, Nebenhöhlen, Rachen, Luftleitern und Lunge

* Gelegentliches erbrechen von Blut, Probleme mit Magen, Darm, Bauchspeicheldrüse

* Leichtes Drücken unter dem rechten Rippenbogen aufgrund einer Vergrößerung der Leber

* Nachlassen von sexuellem Verlangen und Potenz

* Kribbeln und/oder Taubheit an Armen und Beinen

* Gelegentliche Seh- und Pupillenstörungen, Rötung und Schwellung der Augen

* Veränderung der Stimme, die meist rauer und tiefer wird

* Schwammiges und aufgedunsenes Gesicht mit Neigung zu Hautveränderungen, beginnende Trinkernase

* Zahnschäden

* Zunge oft braun-weißlich belegt

* Brustentwicklung (Hormonstörungen) beim Mann

* Feinere (oder auch größere) Gefäßerweiterung im Gesicht

* Rötungen am Daumen- und Kleinfingerballen

* Korkenzieherartig gewundene Gefäße in der äußeren festen Hülle des Augapfels, der sogenannten Lederhaut

* Neigung zu Hautblutungen mit zum Teil großflächigen Blutergüssen, zumeist in der Gegend von Schulter und Becken

* Erst feinschlägiges, dann stärkeres Zittern von geschlossenen Lidern, herausgestreckter Zunge, gespreizten Fingern, später eventuell sogar beider Arme

* Krämpfe bis hin zu epileptischen Anfällen

* Delirium tremens (schweres Alkoholentzugssyndrom mit Desorientierung und Halluzinationen

Freilich gibt es neben den körperlichen Anzeichen auch seelische, geistige und soziale, bei deren Auftreten die Alarmglocken läuten sollten. Hier die Wichtigsten davon:

* Ständiges Denken an den Alkohol

* Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit

* Kontrollverlust der Alkoholmenge

* Gebrochene Vorsätze, weniger zu trinken oder mit dem Trinken ganz aufzuhören

* Schuldgefühle wegen des Trinkens

* Heimliches Trinken

* Verweigerung über den Alkohol zu sprechen

* Verlust des Arbeitsplatzes wegen des Trinkens (oder eine diesbezügliche Verwarnung)

* Häufiger Wechsel zwischen Imponiergehabe und Selbstmitleid

* Depressionen

* Aggression

* Zunehmende familiäre Konflikte

* Zunehmende finanzielle Belastungen, Schulden

* Verlust des Führerscheins

* Trinken mit Personen, mit denen man unter normalen Umständen nicht verkehren würde

* Vernachlässigung von Körperpflege und Kleidung

* Häufige alkoholbedingte Blackouts (Erinnerungsverlust)

Sollten mehrere dieser Anzeichen zusammenkommen, so ist eine beginnende oder bereits weit fortgeschrittene Abhängigkeit vom Alkohol ziemlich sicher vorhanden. Doch da der Alkoholkranke seine Sucht nicht wahrhaben kann oder will, was bei einer Suchterkrankung meist der Fall ist, sind die Angehörigen gefordert, ihn zu einer Therapie oder zum Besuch einer Selbsthilfegruppe (Anonyme Alkoholiker, Blaues Kreuz, Guttempler etc.) zu bewegen. Denn wenn sie wegschauen oder die Sucht des Partners, der Partnerin, eines Elternteils oder eines Kindes bagatellisieren, dann sind auch sie selbst gefährdet und können zu sogenannte Co-Abhängige werden (siehe auch „Ich hab' doch alles für ihn getan…“).
Aber wenn alle an einen Strang ziehen stehen die Chancen nicht schlecht, dem gefährdeten Trinker oder dem bereits an seiner Alkoholsucht Erkrankten zu helfen.

Weitere Informationen und Angebote zur Alkoholentwöhnung finden Sie auf der Webseite des Weiss-Instituts unter dem Thema Alkoholsucht.