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Anlaufstelle für Menschen, die glauben
Warum Burnout-Gefährdete die TelefonSeelsorge anrufen

von Werner Schneider

Ausgebrannt, leer, überfordert, ohne Vision. Das sind oft Symptome, die viele Menschen mit dem Burnout-Syndrom verbinden. Viele von ihnen sind gläubig, in welcher Form auch immer, und diese wählen dann die Nummer 142, der Notruf der TelefonSeelsorge. Der Theologe, Dipl. Lebensberater und Supervisor (ÖAAG, ÖSV) Mag. Gerhard Baldauf Msc, bis 2016 Leiter der TelefonSeelsorge Graz, erklärt „Alk-info“, wie man am Telefon den Ratsuchenden helfen kann.

„Alk-Info“: Herr Magister Baldauf, aus einer Statistik im ORF-Teletext geht hervor, dass Anrufe von Burnout-Gefährdeten an der Spitze stehen. Wie kommt es, dass man da zuerst zur TelefonSeelsorge findet?
Mag. Gerhard Baldauf: Dass wir Burnout stärker wahrnehmen, ist eine Tendenz, wie grundsätzlich Menschen mit psychischen Belastungen stärker bei uns anrufen. Das hat wohl damit zu tun, dass unsere Notrufnummer 142 in den Medien zu finden ist.

Ist das Gespräch mit Ihren Mitarbeitern wirklich vertraulich?
Als ein anerkannter Notruf sind wir eine niederschwellige Einrichtung. Das bedeutet, dass bei uns jedes Gespräch selbstverständlich vertraulich verläuft. Zudem kommt, dass Anrufende mit ihren Anliegen auf Augenhöhe mit unseren ausgebildeten MitarbeiterInnen kommunizieren. Es ist in erster Linie als Erstentlastung gedacht, in zweiter Linie versuchen wir bei Krisengesprächen oder heiklen Themen Anrufende zu motivieren eine professionelle Behandlung, Therapie, oder was auch immer, in Anspruch zu nehmen. Wir haben eine große Datenbank mit sämtlichen Hilfseinrichtungen. Entsprechende Angebote wie z.B. von Psychosozialen Beratungsstellen geben wir dann weiter.

Aus Ihrer Erfahrung: Sind das Leute, die Angst vor Burnout und somit auch Existenzangst haben oder Leute, die schon wirklich am Rande der Erschöpfung sind?
Bei „Burnout“ handelt es sich nach dem ICD-10 (Internationale Klassifizierung psychischer Störungen, Anm.) um kein eigentliches Krankheitsbild. Betroffene jedoch spüren, dass z.B. Erschöpfungszustände zunehmen. Manche nehmen den Begriff einfach so in den Mund ‚ich hab‘ Burnout‘ und dann fragen wir natürlich nach: ‚Was meinen Sie damit?‘. Das ist das Gleiche wie wenn jemand sagt: ‚Ich bin so depressiv‘, dann fragen wir nach: ‚Meinen Sie jetzt eine Diagnose? Oder fühlen Sie sich einfach verzweifelt und niedergeschlagen?‘

Bestimmen Sie das Krankheitsbild des Anrufers?
Nein. Wir wollen nicht zu schnell in eine Pathologisierung kommen, weil wir ja keine Diagnosen erstellen. Es sind aber nach meiner Einschätzung Personen, die entweder schon länger in einer ständigen Überforderungssituation stecken und spüren, dass sie nicht mehr herauskommen oder die schon bei einem Arzt waren und bereits eine Diagnose haben wie z.B. eine Depression.

Auf was achten Ihre Mitarbeiter während eines Beratungsgespräches?
Man muss bei jeder anrufenden Person, die diese Thematik im Gespräch anspricht, individuell darauf schauen, was jetzt in diesem Moment der „Auftrag“ für das Gespräch ist: das kann Entlastung sein, der Wunsch nach möglichen Hilfsangeboten oder die Frage nach einer konkreten Problemlösung. Das, was uns Anrufende oft zurückmelden, ist, dass sie oft erstmals ausführlicher über ihre Situation sprechen und dabei als Gesprächspartner nicht mit Ratschlägen oder Einschätzungen konfrontiert werden, sondern Wertschätzung und Augenhöhe erfahren. Das wiederum öffnet und ermöglicht das Aussprechen und Reflektieren ihrer Situation. Es ist natürlich klar, dass dies nicht in einem einzigen Gespräch möglich ist. Manche rufen deshalb auch öfter an.

Viele Leute, die sich an die Anonymen Alkoholiker wenden, suchen die dort im Programm vorhandene Spiritualität. Ist das bei den Anrufen bei Ihnen bei der TelefonSeelsorge ähnlich, dass man sich Hilfe von einer höheren Macht erwartet?
Sie meinen jetzt das Thema Spiritualität, Transzendenz und Religiosität. Ich kann es jetzt nicht in konkreten Zahlen festmachen, aber ich weiß aus Rückmeldungen, dass es Gespräche gibt, wo dies Thema ist, weil es von Anrufern selbst angesprochen wird.

Muss man gläubig sein, um sich an die TelefonSeelsorge zu wenden?
Grundsätzlich können sich ja alle Menschen an uns wenden unabhängig von ihrer religiösen oder politischen Weltanschauung. Aber es gibt Menschen, denen dieser Aspekt wichtig ist. Wir versuchen dann gemeinsam hinzuschauen: Was heißt Spiritualität für die anrufende Person, was erwartet sie sich, welche Bilder stehen dahinter und welche sind bei den Coping-Strategien (Bewältigungsstrategie, Anm.) hilfreich und welche eher kontraindiziert. Und es gibt schon sehr berührende Gespräche mit einer oft ungeahnten Tiefe, die einfach als Geschenk erlebt werden kann.

Alkohol und Depression liegen sehr knapp beisammen, oft hört man: „Ich bin derart gefährdet, ich bin so depressiv, ich greife auch zum Alkohol?“
Es kommt durchaus vor, dass es hier Zusammenhänge gibt. Eine Form von nicht hilfreichen Coping-Strategien sind ja Medikamentenmissbrauch oder Alkoholmissbrauch, die zwar vielleicht kurzfristig eine Erleichterung bringen, aber auf Dauer eine Krise verschärfen bzw. chronifizieren können und nicht aus der Not herausführen.

Was raten Sie Hilfesuchenden, die Ihren Burnout mit Alkohol bekämpfen?
Selbstverständlich verweisen wir dann z.B. auch auf die Anonymen Alkoholiker, wenn das Thema Alkohol im Vordergrund steht. Oder wir raten natürlich zu professioneller Beratung bzw. in Kliniken oder zum Arzt zu gehen.

Der Notruf 142 der TelefonSeelsorge ist kostenlos, in ganz Österreich jeden Tag rund um die Uhr besetzt. Alle Anrufe werden anonym und vertraulich behandelt. Es gibt auch eine Onlineberatung:

TelefonSeelsorge Österreich
Tel.: 142
Web-Adresse: www.onlineberatung-telefonseelsorge.at