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Vorarbeiten seit 2011, jetzt folgt Umsetzung
Ambitionierte Alkoholprävention in der Steiermark

von Werner Schneider

Österreichs zweitgrößtes Bundesland mit der drittgrößten Einwohnerzahl (1,2 Millionen Menschen) hat unter dem Titel „Nüchtern betrachtet – Steirischer Aktionsplan Alkoholprävention“ bereits im Dezember 2011 begonnen, der Suchtgeisel Nummer 1 den Kampfanzusagen. Ab 2014 geht es nach umfangreichen Vorarbeiten in die Umsetzungsphase, die bis 2020 und darüber hinaus wirken soll.

Ziel ist es, in „unterschiedlichen Lebens- und Verantwortungsbereichen“ Anstrengungen zu unternehmen, um „die Gesundheit aller Steirerinnen und Steirer nachhaltig zu verbessern“ (Klaus Peter Ederer, Suchtkoordinator des Landes Steiermark). Dass dies kein Programm sein kann, das auf einzelne Institutionen beschränkt ist, war schon zu Beginn klar: „Es bedarf gemeinschaftlicher, alle Politikfelder übergreifender Anstrengungen, um die individuellen und gesamtgesellschaftlichen Belastungen, welche durch missbräuchlichen, krankheitswertigen und/oder abhängigen Konsum von alkoholischen Genussmitteln entsteht, zu verringern.“ So wurde die Steiermärkische Landesregierung vom Landtag mit Beschluss vom 16.12.2011 aufgefordert – gemäß den in der „Neuen Steirischen Suchtpolitik“ formulierten Zielen – in der politischen Arbeit einen Schwerpunkt auf eine möglichst rasche und effiziente Umsetzung eines Aktionsplans zur Alkoholprävention vorzulegen.
Hier nimmt die Steiermark innerhalb Österreichs, was Umfang und Zielsetzung betrifft, eine Vorreiterrolle ein. Dass die Umsetzung der umfangreichen Vorarbeiten beschlossen wird, ist beim System der sogenannten Reformpartnerschaft (beide Großparteien haben sich zur Zusammenarbeit in allen wichtigen Fragen verpflichtet, auch wenn manche Maßnahmen weh tun und von den WählerInnen abgestraft werden) anzunehmen.
Konkrete Maßnahmen
Zu den bereits erbrachten Leistungen gehört unter anderem die abgeschlossene Planung für ein neues Suchtzentrum mit großer Alkoholikerabteilung in der Landesnervenklinik Sigmund Freud (siehe auch „Steirer setzen auf modernste Alkoholikerbetreuung“). Dazu gehören aber auch mehrere Studien. Klaus Peter Ederer wirft einen ganzen Fragenkatalog auf, die es zu beantworten galt: „Neu an der vorliegenden steirischen Suchtpolitik ist es unter anderem, dass konkrete Maßnahmen gesetzt werden, um die gesellschaftliche Verantwortung für Sucht- und Folgeprobleme mit verschiedenen Gruppen auszuhandeln: Welche Rolle spielt die Gesetzgebung im Bereich kleines Glücksspiel? In welchen Gruppen kann verantwortungsbewusster als bisher Alkohol konsumiert werden, wenn die Produzenten und Vertreiber in die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen mit eingebunden werden? (Die Steiermark ist ein Wein- und Bierland, Anm.) Welche Rolle spielt das Medizinsystem bei der Abgabe und Kontrolle von psychoaktiven Medikamenten?“
Mutiges Arbeitsprogramm
Dies alles mit einzubeziehen bezeichnet Ederer zu Recht als „mutiges Arbeitsprogramm“.
Die Problematik wird nicht kleiner wenn man versteht, dass im österreichischen föderalistischen Gesundheits- und Jugendrechtssystem neun verschiedene Gesetzeswerke nebeneinander existieren. Was etwa restriktive Maßnahmen des jeweiligen Landesgesetzgebers relativiert, wenn im Nachbarbundesland (also nur einen Schritt über die Landesgrenze hinweg) völlig andere Regeln herrschen können.
Wie wichtig legistische und exekutive Maßnahmen aber sein können, führt Dr. Jürgen Rehm, (Director of Social and Epidemiological Research, Toronto) aus. Nur die Prävention macht’s nicht aus. So reagieren etwa 90 Prozent der Alkoholkonsumenten (nicht der Alkoholkranken) auf preisliche Regulierungen. Ebenso wirksam sind Einschränkungen in der Verfügbarkeit. Wobei sich Rehm gegen das Totschlagargument wehrt, dass bei allen diesen Maßnahmen unweigerlich unzählige Arbeitsplätze verloren gingen. Deutlich messbare ökonomische Schäden will er nicht festgestellt haben – stellt man den volkswirtschaftlichen Schaden, den gesteigerter Alkoholkonsum mit sich bringt, gegenüber: 210 Krankheiten können Alkohol bedingt sein.
Mehr Beratungszentren und Prävention
Damit diese Krankheiten als Folgen von starkem Alkoholmissbrauch rechtzeitig erkannt werden, soll es eine stärkere Vernetzung von Beratungsstellen, Krankenanstalten und niedergelassenen Ärzten geben. Dadurch soll mehr Kommunikation, Austausch und Information über die individuellen Probleme der Klienten der Suchthilfe stattfinden.
Dass die vorhandenen Betreuungsangebote in der Steiermark nicht ausreichen, stellt für die Suchthilfe eine Herausforderung dar, gibt es doch eine zu geringe Kapazitäten für die stationäre und tagesklinische Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung. Auch für die Krisenintervention ist in der Steiermark nach Ansicht der Fachleute unzureichend. Deshalb wird festgehalten, dass Psychosoziale Zentren und Beratungszentren in den Bezirksvororten ebenso geschaffen werden müssen wie der Zugang zur Wohnraumsicherung für Jugendliche und Erwachsene und und umfassende Arbeitsangebote für Hochrisikogruppen.
Weiters soll es eine handlungsorientierte Suchtberichterstattung geben. Wobei die Themen „Sucht und Migration“, „Sucht und Alter“ sowie „Medikamentenmissbrauch und -abhängigkeit“ einen besonderen Stellenwert erhalten sollen. Zudem soll es Schulungen und Gesprächshilfen für Vorgesetzte in den Betrieben geben, damit diese sich auf sicheres Terrain begeben, wenn einer ihrer Mitarbeiter an Alkoholismus erkrankt ist.
Menschen stark machen als Hauptziel
Prävention wird im Rahmen des Programms im Focus stehen. „Ein Hauptziel ist dabei die Bewusstseinsbildung für gefährdete Menschen, die wir einfach stark machen müssen und sie in die Lage versetzen, mit kritischen, lebensbelastenden Situationen auf eine Art und Weise umzugehen, dass sie nicht Alkohol benützen müssen, um sich zu dämpfen, sondern dass sie im sozialen System Hilfe und Unterstützung finden“, blickt Klaus Peter Ederer in die Zukunft. Im Mittelpunkt der Suchtprävention werden Kinder, Jugendliche und Familien stehen. Wobei die Hersteller und Verkäufer von Alkohol aktiv in die Suchtprävention eingebunden werden sollen. Neu ist auch, dass neue Projekte zielgerecht gefördert werden sollen.
Dass in diesem Programm der Alkohol die maßgebliche Rolle spielt, zeugt nur vom Realitätssinn der steirischen PolitikerInnen. 125.000 MitbürgerInnen weisen ein problematisches Suchtverhalten auf, 52.00 gelten als alkoholkrank. Über die Maßnahmen und Erfolge bis 2020 wird also noch zu berichten sein.

Die neue steirische Suchtpolitik: PDF-Programm