Alkohol als Einschlafhilfe
Keine Chance auf schöne Träume

von Harald Frohnwieser

Etwa ein Viertel der Bevölkerung kämpft Nacht für Nacht damit, in einen gesunden Schlaf zu fallen. Hat also Ein- oder Durchschlafprobleme, was auf Dauer zu gravierenden Schäden führen kann, sowohl körperlich wie auch psychisch. Da kann der Griff zu Bier, Wein oder härteren Getränken durchaus verlockend sein – denn Alkohol gilt allgemein als beliebtes Schlafmittel. Doch Vorsicht: Auch in Maßen genommen ist es besser, auf den gewohnten Drink vor dem Schlafengehen zu verzichten.

Alkohol beeinflusst den SchlafÄrzte bestätigen: Alkohol funktioniert durchaus als Einschlafhilfe, egal, ob man Bier, Wein oder Härteres vor dem Einschlafen zu sich nimmt. Aber: Der Preis, den man dafür bezahlt, ist hoch, vom Schlummertrunk zum Kummertrunk ist es nicht allzu weit. Man schläft zwar endlich ein, doch schon in der zweiten Nachthälfte verfällt man in Unruhe. Studien haben längst gezeigt, dass Menschen, die vor dem Einschlafen Alkohol getrunken haben, häufiger aufwachen als andere. Die Ursache dürfte darin liegen, dass der Alkohol nun bis zu einem Level abgebaut ist, an dem er stimulierend, also belebend wirkt. Hinzu kommt auch, dass sich der Harndrang aufgrund der eingenommenen Flüssigkeit bemerkbar macht und man ganz einfach aufs Klo muss. Zudem kann man auch wegen des Durstgefühls aufwachen, denn der Alkohol entzieht dem Körper Flüssigkeit.
Sowohl körperliche wie auch psychische Schäden
Doch es gibt noch weitere Gründe, warum man auf das „Schlafmittel Alkohol“ verzichten sollte. Alkohol verstärkt den traumlosen Tiefschlaf, man gleicht somit einem Schlafwandler. Die REM-Phasen werden reduziert. Diese Phasen betragen 20 bis 25 Prozent des Schlafes und sind für die Träume, in denen wichtige, zum Teil auch belastende Ereignisse verarbeitet werden. Ein Mangel dieser Phasen kann die Konzentration, die Gedächtnisleistung und die motorische Fähigkeit negativ beeinflussen. Zudem nehmen triebhaftes Verhalten (z.B. Fressattacken etc.) ebenso zu wie Aggression, wenn diese Phasen stark reduziert werden oder gar nicht mehr vorhanden sind. Der englische Forscher Irshaad Ebrahin, der in einem Londoner Schlaflabor arbeitet, stellte dazu fest, dass Alkohol ähnlich wie ein Antidepressivum die Tiefschlafphase verkürzt. Alkohol vor dem Schlafengehen wird oft auch für wilde Albträume verantwortlich gemacht.
Alkohol behindert in höheren Dosen zudem die Atmung. Das bewirkt, dass bisherige Nichtschnarcher zu Schnarchern werden. Wer aber schnarcht, kann eine Schlafapnoe – also Atmungsaussetzer – entwickeln, wasStrukturformel von Hormon Cortisol wiederum lebensgefährlich sein kann. Außerdem: Alkohol belastet das zentrale Nervensystem und kann leicht abhängig machen – ohne die gewohnten Drinks kann man nun gar nicht mehr oder nur sehr schlecht einschlafen. Weiters wurden bei einem länger andauernden Schlafmangel erhöhte Blutzuckerwerte festgestellt, aber auch der Kohlenhydratstoffwechsel und die Schilddrüsenhormonproduktion kamen durcheinander. Und das Stresshormon Cortisol kann auch am Abend gemessen werden, obwohl es sonst nur am Morgen ausgeschüttet wird (siehe auch „Das Märchen vom Entspannungsschluck“). Außerdem können lang anhaltende Schlafprobleme für Depressionen sorgen.
Schlafmittel Alkohol: Frauen schlafen noch schlechter
Zwei Wissenschaftler der University of Michigan, USA, Todd Arnedt und Ann Arbor, wollten herausfinden, ob Männer und Frauen gleich auf das vermeintliche Schlafmittel Alkohol reagieren oder ob es Unterschiede gibt. Die Probanden nahmen in der Zeit von 20 bis 22 Uhr mehrere alkoholische Getränke zu sich, bis sie einen Alkoholpegel von etwa einem Promille erreicht hatten. Dann wurden die nun betrunkenen Frauen und Männer acht Stunden lang mit einer sogenannten Polysomnografie (Messung der physiologischen Funktionen) überwacht. Das Resultat: Die Frauen schliefen deutlich schlechter als die Männer, sie waren in der zweiten Schlafphase deutlich öfter und länger wach und hatten insgesamt weniger geschlafen und fühlten sich zudem noch müder als die Männer, die jedoch auch nicht gut schliefen und am Morgen ebenfalls nicht sehr wach waren. „Ein erheblicher Teil der Bevölkerung verwendet Alkohol regelmäßig, um Einschlafprobleme zu bekämpfen“, sagt Forscher Todd Arnedt, „aber die Tatsache, dass der Alkohol eine negative Wirkung auf den späteren Schlaf hat, ist vielen nicht bewusst.“
Was kann man aber dafür tun, damit man selig in Morpheus Armen entschwindet? Und wie viel Schlaf ist gesund und ausreichend? Für Letzteres gelten im Schnitt siebeneinhalb Stunden pro Nacht, aber auch Menschen, die mit nur fünf Stunden Schlaf auskommen, müssen keine der oben angeführten Beschwerden aufweisen. Als Kriterium gilt, ob man sich am nächsten Tag ausgeruht fühlt oder nicht.

Experten-Tipps für einen gesunden Schlaf

* Kein Sport vor dem Schlafengehen.

* Ein warmes Bad oder ein Saunabesuch beruhigen die Nerven.

* Verzicht auf allzu spannende Bücher oder Filme. Diese können negative Bilder produzieren, die den Geist nicht zur Ruhe kommen lassen.

* Kein deftiges, sondern leichtes Abendessen mit viel Gemüse und/oder Obst.

* Konflikte vermeiden. Gibt es mit dem Partner einen Streit, sollte dieser noch vor dem Schlafengehen beigelegt werden. Eine friedliche, harmonische familiäre Situation sorgt für Entspannung.

* Das Licht in der Wohnung sollte eher gedämpft sein, grelles Licht bringt die biologische Uhr durcheinander.

18 Celsius ist entpfollene Raumtempartur* Die Temperatur im Schlafzimmer sollte um die 18 Grad Celsius betragen.

* Autogenes Training kann durchaus hilfreich sein, zum Beispiel 20 Mal bewusst ein- und ausatmen und dabei jedesmal an das Wort „Ruhe“ denken.

* Präparate aus Baldrian oder Hopfen gelten als schlaffördernd. Sie sollten aber nicht regelmäßig sondern nur bei Bedarf eingenommen werden.

* Es gibt gute Audio-CDs, die im gut sortierten Buchhandel zu finden sind. Hier geben Sprecher mit einer angenehmen Stimme Anweisungen zur Entspannung der Atemmuskulatur und zur Muskelentspannung. Und schließlich wird man mit Begleitung einer ruhigen Musik auf eine Art Traumreise geführt, die sich sehr positiv für das Einschlafen auswirkt.

* Unser Körper kann die Aminosäure Tryptophan nicht selbst herstellen, der aber benötigt wird, um im Hirn den Botenstoff Serotonin zu erzeugen. Und dieser Botenstoff sorgt wiederum nicht nur für ein allgemeines Wohlbefinden, sondern beruhigt auch und hilft beim Einschlafen. Tryptophan ist in der Apotheke erhältlich und befindet sich auch in der Milch. Doch man müsste zwei Liter davon trinken, um auf die notwendige Tryptophan-Dosis zu kommen. Der Eiweißbaustein ist auch im Honig vorhanden, aber nicht sehr ausreichend.

* Bei der Einnahme von Tranquilizern sollte man sich bewusst sein, dass es fast immer Nebenwirkungen gibt und dass man sich am nächsten Morgen noch immer schläfrig fühlt, auch wenn man durchgeschlafen hat.

Übrigens: Der griechische Gott des Schlafes ist nicht Morpheus – der ist nur für die Träume verantwortlich - sondern dessen Vater Hypnos, Sohn der Sohn der Nyx (die Nacht) und des Erebos (die Dunkelheit). Sein Bruder ist Thantos, der Tod. Mit ihm wohnt Hypnos in der Unterwelt, und zwar in einer Höhle, in der ein Fluss entspringt und wo Tag und Nacht sich begegnen. Vor der Höhle wachsen Kräuter mit einer einschläfernden Wirkung. Der griechischen Mythologie zufolge besitzt Hypnos die Macht, alle Götter, Menschen und Tiere in Schlaf zu versetzen. Trotzdem sagt man, man sinkt in Morpheus Arme, wenn man das einschlafen damit meint. Damit man aus diesen aber nicht schnell wieder vertrieben wird, sollte man somit tunlichst auf Alkohol als Schlafmittel verzichten.

Grafiken: Thomas Frohnwieser (2)