Prävention in Fußballstadien
Rote Karte für zu viel Alkohol

von Harald Frohnwieser

Eigentlich hat Alkohol in einem Sportstadion nichts verloren, sollte man meinen. Denn Bier, Wein oder Wodka passen mit einer gesunden, sportlichen Lebensweise überhaupt nicht zusammen. Dennoch kommt es immer wieder zu Randalen, weil einige Zuschauer sich eher als Alkohol-Fan denn als Fan ihres Lieblingsvereins entpuppen. „Zeig zu viel Alkohol die rote Karte“, lautet daher das Motto der Aktion VOLLFAN statt voll fett„VOLLFAN statt voll fett“ („fett sein“ steht im Wiener Dialekt für „betrunken sein“, Anm.), das vom Institut für Suchtprävention der Stadt Wien im Jahr 2011 ins Leben gerufen wurde. „Alk-Info“ sah sich bei eines solchen Veranstaltung im Wiener Hanappi-Stadion um und sprach mit den Verantwortlichen der Präventionsmaßnahme, mit eigens dafür geschulten Peers und mit einem noch sehr jungen Fußballfan.

Die Rauschbrille darf natürlich nicht fehlen. Die jugendlichen Fußballfans, fast alle Buben, setzen sich im Stadionbereich einer nach dem anderen die Brille auf, die ihre Sichtweise trübt und ihnen so vorgaukelt, betrunken zu sein. Wacklig auf den Beinen versuchen die Jungs, nach einen Ball zu treten oder ihn zu fangen, was freilich kaum gelingen mag. Als sich die Gruppe verzieht, kommt Sebastian. Er ist zwölf Jahre alt und ist mit seinem Onkel hier.
„Die Aktion finde ich sehr gut“, sagt er dem „Alk-Info“-Reporter an diesem stark bewölkten Herbsttag, dann versucht auch er, mit der aufgesetzten Rauschbrille, einen Ball, den ihm Monika, ein ausgebildeter Peer, zuwirft. Immer wieder greift der Junge daneben und als er den Ball dann doch fangen kann, grinst er über das ganze Gesicht. „Ganz schön schwer“, stellt er fest, als er die Brille wieder absetzt. Ob Alkohol in seiner Klasse ein Thema ist? „Nein, eigentlich nicht“, sagt Sebastian und betont, dass er und seine Klassenkameraden ja erst zwölf sind. „Aber vielleicht kommt das bald“, räumt er ein. Dann setzt er sich nochmals die Brille auf, wackelt beim Gehen und setzt sie gleich wieder ab. „Betrunken sein möchte ich nie“, sagt der Schüler ganz bestimmt. Der Grund dafür? „Wegen der Brille weiß ich jetzt, wie es sich anfühlt, wenn man zu viel Alkohol getrunken hat. Das ist kein schönes Gefühl.“ Als er sich verabschiedet und mit seinem Onkel zum Trainingsplatz geht, auf dem heute die Nachwuchsspieler von SK Rapid und FK Austria Wien gegeneinander spielen, erklärt Sebastian noch schnell, warum er den Alkohol nicht mag: „Der tut den Menschen nichts Gutes.“
Die wichtige Arbeit der Peers
Davon überzeugt ist auch Magistra Lisa Brunner vom Institut für Suchtprävention. „Unser Ziel ist, den Jugendlichen einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem Alkohol zu vermitteln“, sagt sie. Nachsatz: „Natürlich ohne erhobenem Zeigefinger.“ Dr. Artur Schroers steht daneben und nickt. Der wissenschaftliche Leiter des Instituts für v.r.n.l. Gemeinderat Kurt Wagner, Michael Dressel, Mag. Lisa Brunner, Dr. Artur SchroersSuchtprävention der Sucht- und Drogenkoordiantion weist im Gespräch mit „Alk-Info“ auf die wichtige Arbeit hin, die die Peers (Gleichaltrige, die mit den Jugendlichen über den Umgang mit dem Alkohol sprechen und eigens dafür ausgebildet wurden) hin: „Die Peerarbeit ist ein Herzstück von ,VOLLfan statt voll fett', denn wir wissen, dass sich Jugendliche in diesem Alter von Erwachsenen ungern etwas sagen lassen, sich aber sehr stark an Gleichaltrigen orientieren.“ Schroers betont auch, dass die Peers keine Sozialarbeiter sind: „Die gibt es zwar auch, aber sie bleiben im Hintergrund.“
Nicht im Hintergrund ist Helga. Die junge Frau war immer schon am Fußball interessiert und wurde eher durch Zufall zu einem Peer. Helga: „Uns Peers geht es darum, die Sensibilität für das Thema Alkohol zu entwickeln. Alkohol ist zwar überall vorhanden, aber es wird kaum darüber gesprochen.“ Daher ist ihr wichtig, dass die Jugendlichen mitbekommen, was der Alkohol, Stichwort: Rauschbrille, bewirken kann. Auch sie sieht sich nicht als Sozialarbeiterin. „Wenn ein Jugendlicher bereits eine Suchterkrankung hat, dann gibt es dafür die Suchtberater, die zur Verfügung stehen.“
Auch die Polizei wird laufend geschult
Dass bei einem Fußballmatch niemand ernsthaft über die Gefahren des Alkohols sprechen möchte, ist ihr klar. „In erster Linie will sich das Publikum im Stadion unterhalten. Deshalb bieten wir neben dem Geschicklichkeitsparcours auch eine Art Alkohol-Quiz an.“
Der Quiz, oder besser gesagt der Alkohol-Mythen-Check soll, so Lisa Brunner, mit vorherrschenden Meinungen wie „Wird man von einer kalten Dusche wieder nüchtern?“ aufräumen. Auch die Polizei, so Brunner weiter, ist bei der Präventionsaktion mit eingebunden. „Sie ist für die rechtlichen Fragen zuständig. Sie werden auch von unseren Mitarbeiters geschult, wie sie am Besten mit betrunkenen Jugendlichen umgehen können.“
Fußballstars als Testimonials
Doch nicht nur die Polizei wirkt dabei mit, wenn es darum geht, den Jugendlichen und jungen Erwachsenen (Zielgruppe: 16 bis 30 Jahre) einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Alkohol beizubringen, auch die beiden Fußballvereine SK Rapid und FK Austria Wien sind mit an Bord. Dazu der Koordinator für Sucht- und v.r.n.l. Michael Schimpelsberger, Michael Dressel, Kurt Wagner, Deni Alar, Philipp Greimel und vier KinderDrogenfragen der Stadt Wien, Michael Dressel: „Die Mitwirkung der Vereine und der Nachwuchs-Akademien des FK Austria Wien und SK Rapid ist uns besonders wichtig, denn deren überzeugte Unterstützung ist für Fans und Jugendliche ein wichtiger zusätzlicher Motivator, das Thema ernst zu nehmen.“
Wie wird die Aktion von den Jugendlichen angenommen? „Sehr gut“, sagt Lisa Brunner, „wir haben im Jahr fünf solcher Veranstaltungen. Sehr gut kommt auch an, dass die Profispieler der beiden Vereine als Testimonials immer wieder vorbeischauen und mit den Fans sprechen. Sie haben ja doch eine sehr große Vorbildfunktion.“
Wie erfolgreich eine solche Präventionsarbeit ist, wird sich wohl nie messen lassen. Aber: „Wenn bei den Jugendlichen hängen bleibt, dass der Alkohol auch Nachteile haben kann, dann ist schon viel gewonnen“, ist Helga überzeugt.
Mittlerweile hat leichter Regen eingesetzt. Die jungen Fußballfans bleiben trotzdem und sehen dem Spiel der beiden U-18-Mannschaften zu. Sie sind gut aufgelegt, feuern ihre Vereine an, haben Spaß. Und das ganz ohne Alkohol. Denn ein Jugendlicher mit einer Bierdose oder einer Wodkaflasche in der Hand ist weit und breit nicht zu sehen. Sollte eigentlich ganz normal sein auf einem Fußballplatz…

Infos zu den Terminen:

Rapid VOLLFAN: www.facebook.com/rapidvollfans

Austria VOLLFAN: www.facebook.com/austriavollfans

Fotos: Jobst / PID (3)