Ein Film über Modeschöpfer Yves Saint Laurent
Er befreite die Frauen und fesselte sich mit Alkohol
von Werner Schneider
YSL – drei Buchstaben, ein Name, ein Modeimperium: Yves Saint Laurent. Der ebenso erfolgreiche wie gefeierte Modeschöpfer, der 2008 in Paris verstarb, führte ein Leben in Luxus und war für die Regenbogenpresse ein beliebtes Objekt der Berichterstattung. Doch hinter diesem glamourösen Leben verbarg sich ein Mann, der sehr unsicher war und seine Depressionen mit sehr viel Alkohol und Drogen zuschüttete.
Im Zusammenhang mit der Premiere eines 2014 gedrehten Kinofilms mit dem Titel „Yves Saint Laurent“ fehlten sie in keiner Kritik, in keiner Ankündigung. Irgendwie wird der Modekünstler, der am 1. Juni 2008 in Paris verstarb, damit auf gängige Promi-Laster reduziert: Berühmt, ausschweifend, den Drogen, dem Alkohol und (bisweilen klingt auch das durch) einer gewissen Promiskuität verfallen.
Der Film widmet sich aber einer Lebenspartnerschaft, die über fünf Jahrzehnte hielt, trotz dieser „Ausschweifungen“. Yves Saint Laurent und Pierre Bergé durchwanderten Höhenflüge, Reichtum, Erfolg und ein schwelgen in Kunstwerken ebenso, wie die Hölle der Exzesse. Doch der Modeschöpfer war nicht größenwahnsinnig in ein Rauschleben gerutscht, er wurde sozusagen von Staats wegen und wegen eines grausamen Krieges zum psychologischen Grenzfall gemacht. Das hat Spuren hinterlassen.
Entgiftungskur nach Alkoholexzesse
So erzählte Pierre Bergé in einem Interview, das er anlässlich der Filmpremiere dem „Spiegel“ gab, dass Saint Laurent anscheinend schon mit einem Nervenzusammenbruch zur Welt kam. „Ich habe das alles schnell gemerkt. Ich mochte das sogar. Ich bin anders, viel robuster, als Yves das war. Ich trinke nicht, ich rauche nicht.“ Der Pariser Unternehmer auf die Frage, ob es ihm möglich war, den Lebenspartner von der Alkohol- und Drogensucht zu befreien: „Na ja, ich hatte einen gewissen Einfluss auf ihn. 1990 hat er eine Entgiftungskur gemacht und seitdem nichts mehr genommen, gar nichts. Man muss ehrlich sein, bis zu einem gewissen Grad erleichtern Alkohol und Drogen die Kreativität. Natürlich verraten sie einen schnell. Und dann ist es meist zu spät. Er trank Whisky, Wodka und rauchte ununterbrochen. Er hat 1967 mit dem Trinken angefangen, davor hat er keinen Alkohol angerührt.“
Doch von Anfang an.
Yves Henri Donat Mathieu-Saint-Laurent wurde am 1. August 1936 im algerischen Oran, damals noch französische Kolonie, geboren. Er wuchs in einer wohlhabenden Familie auf, der Vater war Kinobesitzer und Versicherungskaufmann. Schon im Alter von elf Jahren fertigte der kleine Yves nach dem Besuch eines Theaterstücks von Molière Skizzen für Kostüme für die Bühne an. Er durchstöberte die Modemagazine der Mutter (er hatte noch zwei jüngere Schwestern) und gab sich früh dem Modezeichnen hin. 1953 reichte er 17-jährig drei Entwürfe beim Internationalen Wollsekretariat (IWS) ein und erzielte mit einem Abendkleid den dritten Platz. Im folgenden Jahr begann Saint Laurent seine Ausbildung zum Bühnen- und Modezeichner in Paris, die er jedoch nicht beendete. Er reichte im gleichen Jahr wieder drei Entwürfe beim IWS ein und erlangte mit einem Cocktailkleid den ersten Platz.
Die Modezeichnungen wurden im Magazin Vogue veröffentlicht und das preisgekrönte Cocktailkleid ging bei Givenchy in Serie.
In dieser stürmischen Zeit für den blutjungen Mann findet sich noch kein Hinweis auf Alkohol oder Drogen. Im Gegenteil: YSL wurde mit 21 Lenzen zum Art Director des Top-Modehauses Dior gemacht. 1958 lernte der Modeschöpfer seinen späteren Lebensmenschen Pierre Bergé kennen.
Kriegshölle in Algerien
1960 erfolgte die Einberufung zum Militär in Algerien. Und das war nicht die Aufforderung zum Ableisten eines „normalen“ Präsenzdienstes mit Waffenputzen und Manövern – in Algerien herrschte seit 1955 ein unerbittlicher und grausamer Krieg gegen die Kolonialmacht Frankreich. Da standen neben regulären Truppen die Spezialisten der Fremdenlegion den um Freiheit kämpfenden Aufständischen gegenüber. Yves Saint Laurent erlitt noch vor der Einrückung einen Nervenzusammenbruch und landete in der Psychiatrie des Val-de Grace Krankenhauses eingewiesen. Und dort wurde er – der Zeit entsprechend – mit Elektroschocks und hochdosierten Sedativa behandelt. Kurz: Man stellte den jungen Mann „ruhig“. So heftig, dass er ein Leben lang von den Medikamenten abhängig blieb. Es blieb auch die Angst. Eine intensive Untersuchung hätte zweifelsfrei ergeben, dass der sensible Mensch auf eine bipolare Störung zusteuerte.
Inzwischen drohte auch die Welt außerhalb der Psychiatrie aus den Fugen zu geraten. Dior kündigte den Vertrag mit Yves Saint Laurent. Lebenspartner Bergé kämpfte nicht nur um den Job seines Geliebten, er versuchte auch, ihn aus der geschlossenen Anstalt wieder frei zu bekommen. Beides gelang. Der Patient kam wieder frei. Eine Klage gegen Dior war erfolgreich und YSL erhielt US $ 100.000.
Erfolge über Erfolge
Mit diesem Startkapital gründete er Yves Saint Laurent Couture. Der Grafikdesigner A.M. Cassandre lieferte das bis heute weltberühmte Logo aus den drei Buchstaben YSL.
Es folgten Erfolge über Erfolge. Man sagt Yves Saint Laurent nach, er habe die Modewelt der Damen revolutioniert, er gab ihnen Freiheit indem er sie von der Wespentaille befreite. Er führte das weiche Jersey ein und entwarf transparente Modelle. Auch ein Herrenlabel wurde erfolgreich. Parallel dazu entwickelte sich das Bohème-Leben des Modeschöpfers. Er wurde unzählige Male auf den Laufsteg geholt, begeistert gefeiert. Namhafte Persönlichkeiten präsentierten sich mit seinen Kreationen, etwa Catherine Deneuve.
Doch YSL und ergé wollten nicht nur Haute Couture, beide gründeten 1968 das Pret-á-porter-Label Rive Gauche – sie waren mit dieser Art der Konfektionslinie wieder Pioniere in der hart umkämpften Branche.
Trennung vom Lebenspartner
Der Künstler schwankte immer mehr zwischen depressiven und manischen Phasen (er ließ sich in einer solchen auch nackt ablichten und das Bild wurde zu Werbezwecken verwendet). Bergé hielt die Chefredakteurinnen der weltberühmten Modemagazine mit Champagner bei Laune und der Hausherr hielt mit, wenn er nicht flüchtete und zurückgezogen becherte und sich den Tabletten hingab. Aber der Modeschöpfer blieb trotz alldem erfolgreich, lediglich seine Gesundheit begann zu zerbrechen.
1976 trennte sich Yves Saint Laurent von seinem Lebenspartner, geschäftlich blieben sie aber ein Paar. Man sagt, Bergé habe alles, was er anfasste, zu Geld machen können.
YSLs Gesundheitszustand verschlechterte sich bisweilen derart, dass man sogar schon 1977 eine Todesnachricht publizierte. Dann fand er wieder Erholung bei seiner umfangreichen Kunstsammlung in Paris und in seinem Anwesen in Marrakesch, das er ebenfalls gemeinsam mit Pierre Bergé erworben hatte.
Depressionen, Alkohol und Drogen
Doch die Drogen und der Alkohol hatten den Modeschöpfer fest im Griff. Er flüchtete vor den depressiven Attacken immer öfter in den Missbrauch. Nervenzusammenbrüche waren die Folge. Die Historie schweigt sich darüber aus, wie oft der Künstler, der auch Prosagedichte verfasste, Entzüge versuchte oder psychiatrische Hilfe in Anspruch nahm. Man weiß (sieht man von Klatschgeschichten ab) auch nur wenig über seine Partnerschaften. Ob Meldungen, dass er auch hier zu Ausschweifungen neigte, seriös sind, lässt sich nicht überprüfen. Auf jeden Fall war Saint Laurent ein freier Mann ohne Bindung.
2002 musste sich Yves Saint Laurent aus dem Modegeschäft zurückziehen. Er lebte abwechselnd in seiner kunstgeschmückten Pariser Wohnung, in der Villa Majorette in Marrakesch oder im Chateau Gabriel in Deauville in der Normandie.
2007 wurde bei ihm ein bösartiger Hirntumor diagnostiziert. Noch einmal trat Pierre Bergé als Liebender in sein Leben, kurz vor seinem Tod am 1. Juni 2008 heirateten die beiden in Paris. „Ich habe immer versucht, ihn in die Welt zu bringen, Yves wollte sich von der Welt fernhalten“, sagte Bergé dem Spiegel. Ob er ihn schützen wollte? „Nein, ich glaube nicht, dass ich ihn in erster Linie schützen wollte, aber ich habe es getan. Wir waren 50 Jahre lang zusammen. Und wir hatten viele Probleme miteinander. Aber trotz dieser Probleme habe ich nie aufgehört, ihn zu bewundern und zu respektieren.“
Foto: Pierre Boulat Courtesy Association Pierre & Alexandra Boulat / IFC Films (1)