Alkoholisierten droht auch ohne Kraftfahrzeug Ungemach
Wenn der Führerschein zu laufen beginnt

von Werner Schneider

„Wenn du trinkst, dann fahre nicht!“ Den Spruch hat jede/r Motorisierte immer wieder gehört, von der Fahrschule weg ein ganzes Autofahrer- oder Moped- oder Motorradleben lang. Aber so ganz sicher behält man seinen rosa „Zettel“ auch wieder nicht, wenn man volltrunken der Heimat entgegentorkelt. Der seit zehn Jahren für Rechtssachen Zuständige beim ARBÖ, Gerald Hufnagel, weiß, dass es vom Verkehrsreferenten der Bezirkshauptmannschaft oder der Polizei abhängt, ob man auch als Fußgänger oder Radfahrer den Führerschein abgeben muss.

Bei den Pedalrittern ist die Sache noch relativ einfach: „Für Radfahrer gilt 0,8 statt 0,5 Promille – und dann gibt es den Punkt: Eine Voraussetzung für den Erhalt des Führerscheines ist die Verkehrszuverlässigkeit. Wenn sich der Eindruck erhärtet aufgrund eines Tatbestandes, dass diese Verkehrszuverlässigkeit nicht mehr gegeben ist, könnte man über diesen sehr weit fassbaren Paragrafen zu dem Ergebnis kommen, ein Führerscheinverfahren einzuleiten. Das ist von BH zu BH verschieden, auf den Einzelfall bezogen, da kann ich keine kategorische Auskunft geben, das ist vom Sachbearbeiter abhängig“, weiß ARBÖ-Rechtsexperte Gerald Hufnagel.
Wobei ein paar Glas zu viel in der Regel mit einer Verwaltungsstrafe abgehen. Aber der Teufel schläft nicht: „Stellen Sie sich vor, sie sind alkoholisiert mit dem Rad unterwegs und bauen einen Unfall, eine Person kommt zu Schaden, natürlich wird die Behörde dann ein Entzugsverfahren einleiten.“ Und das mit allen Konsequenzen, denn dann heißt der Tatbestand fahrlässige Körperverletzung, landet vorm Strafrichter und die Versicherung regressiert gnadenlos die Summen, die sie an den/die Geschädigten ausbezahlt hat, mit allen Nebenkosten wie Anwalt, Schmerzensgeld usw.
Und wie ist das, wenn man wankend und schwankend aber – brav! – ohne Kraftfahrzeug das Gasthaus verlässt?
Zusätzlicher Tatbestand
Der ARBÖ-Rechtsexperte kann beruhigen: „Es ist mir kein Fall bekannt, dass einem alkoholisierten Fußgänger der Führerschein entzogen wurde.“ Erleichtertes Aufatmen, wenn da nicht der Zusatz wäre: „Das müsste ein extremer Fall sein, mit Personenverletzung, wenn man den Eindruck haben könnte, der ist psychisch nicht in Ordnung.“
Hier tut sich für die Referenten wieder ein breites Betätigungsfeld auf. Hufnagel präzisiert: „Da müsste schon ein zusätzlicher Tatbestand hinzukommen, eine psychische Auffälligkeit etwa, oder wenn man auf Grund von Untersuchungen den Eindruck gewinnen kann, oder den Nachweis erbringt, der ist kein Gelegenheitstrinker sondern der hat solche Rückstände im Blut, dass man von einem schweren Alkoholiker sprechen muss, dann sind die positive Voraussetzung, die gesundheitliche Eignung und die Verkehrszuverlässigkeit nicht mehr gegeben.“
Ob der/die FußgängerIn schon ein Fall für den Alkohol- und Führerscheinentzug ist, ist nicht mehr Sache des Referenten. Hier kommen Amtsärztin oder Amtsarzt zu Wort, denen steht eine ganze Palette von Maßnahmen zur Verfügung: Blutabnahme, Test der Leberwerte, psychologisches Gutachten auswerten usw. „Dann könnte die Behörde zu dem Ergebnis kommen, wir müssen untersuchen, ob das ein schwerer Trinker ist oder ob das ein einmaliger Ausrutscher war“, lautet Hufnagels trockene Analyse.
Schmaler Grat
Da wird der Grat dann sehr schmal. Denn auch Delikte, die oft mit Alkohol in Zusammenhang stehen, aber unter psychische Unzuverlässigkeit fallen, können zur „Zettelabnahme“ (inzwischen gibt’s ja auch schon die Führerscheine im Scheckkartenformat) führen.
Zum Beispiel: Präsenzdiener sind dafür bekannt, dass sie gerne zur Flasche greifen. Manche behaupten sogar, sie hätten erst beim Heer das Saufen gelernt. Und nach so einem Rausch findet man dann nicht mehr so leicht in die Kaserne. Das wird beim Militär als Vergehen geahndet. Passiert das öfter (auch ohne Rausch, aber das istGründe für Führerscheinentzug seltener), dann hat der ARBÖ-Experte schlechte Nachrichten: „Da gibt’s auch Fälle. Etwa ein Bundesheerler haut dauernd ab von der Truppe, da kann es passieren, weil der psychisch auffällig ist, er kann zwar abrüsten, aber ein Führerscheinverfahren kommt.“
Segler sollten sich ebenfalls trocken ins Nass begeben – wer betrunken mit seinem Boot oder seiner Yacht im Wasser unterwegs ist kann ebenfalls die Lizenz zum Autofahren verlieren!
Auch die psychischen Probleme, die sich mit übermäßigem Alkoholgenuss oft einstellen, können zum Fallstrick werden, selbst wenn man in keine Verkehrskontrolle fährt. „Bei Depressionen habe ich viele Fälle, wo dann ein Führerscheinverfahren kommt, weil man da sagt: ‚Der nimmt Medikamente und wer sein Leben nicht für lebenswert hält, hält andere auch für nicht so lebenswert oder sorgt nicht für die notwendige Sicherheit.‘“ Wobei Hufnagel ausdrücklich hinzufügt, dass das nicht nur auf Alkohol bezogen ist – auch trockenen Depressiven kann das drohen.
Führerscheinentzug ist Ermessenssache
Das Problem ist, dass der Begriff der Verkehrszuverlässigkeit nicht eindeutig festgemacht ist. Hufnagel: „Wie gesagt, das ist jeweils auf den Einzelfall bezogen, ein legistischer Hintergrund besteht nicht. Der Sachbearbeiter, zu dem dieser Fall kommt, entscheidet autonom.“
Das kann man als Vorteil oder Nachteil sehen. Mancher mag die Ermessenssache des/der zuständigen ReferentIn zu weit gehen, bekanntlich gibt es strengere und weniger strenge (die gibt es bei StrafrichterInnen auch), es kommt also unwillkürlich zu Ungleichbehandlungen. Der Vorteil ist, dass das persönliche Bild, die Zusammenarbeit mit den AmtsärztInnen oft zu besseren Lösungen führen als starre Paragrafen.
Aber es gibt noch ein Delikt, bei dem Alkoholisierung herbe Folgen haben kann: Skiunfälle mit ungezählten Jagatees oder Schnapseln im Bauch!
Ein Polizist aus Salzburg kann sich erinnern: „Ein Niederösterreicher hat bei einer Abfahrt im Rausch eine Schülerin schwer verletzt, er wollte noch davonfahren, wurde aber gestoppt. Dem hat man nachgewiesen, dass er ein schweres Alkoholproblem hat: Führerschein weg, Hubschraubereinsatz bezahlen, die Krankenkasse hat die Operationen und den Spitalsaufenthalt eingefordert und der Anwalt hat ein hohes Schmerzensgeld eingeklagt, denn das Mäderl bleibt teilweise invalid. Ich war Zeuge bei der Verhandlung. Der zahlt jetzt bis an sein Lebensende.“
Es braucht also kein Kraftfahrzeug, um sich mit Alkohol die Existenz zu ruinieren. Die Führerscheinabnahme ist da noch das geringste Übel.

Gafik: Thomas Frohnwieser (1)

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