Trockene Alkoholiker unterwegs
Damit der Urlaub trocken bleibt

von Harald Frohnwieser

Der Entzug ist überstanden, der Alltag ist nicht mehr geprägt von der quälenden Frage, ob man noch ein Bier, ein Glas Wein oder lieber doch gleich einen Schnaps trinken soll. Und der Job geht wieder leicht von der Hand. Wenn das alles eintrifft, stellt sich für viele trockene Alkoholiker nach vielleicht mehreren Jahren wieder die Frage, wohin man in den Urlaub fahren soll. Griechenland, Türkei, Kroatien oder Italien? Oder doch nach Spanien? Egal, wenn ein trockener Alkoholiker sein geschütztes Terrain, sprich Zuhause, für ein, zwei oder sogar drei Wochen verlässt, kann er, wenn er nicht auf der Hut ist, mitunter einen Rückfall riskieren. Doch so weit muss es nicht kommen. „Alk-Info“ hat einige Tipps zusammengestellt, damit der Urlaub nicht in einem Desaster endet.

Hans* ist ein seit vielen Jahren trockener Alkoholiker. Die Meetings der Anonymen Alkoholiker sind längst ein Fixpunkt in seinem Leben geworden, der Alkohol dominiert seinen Alltag schon lange nicht mehr. Dennoch, wenn Hans seinen Wohnort verlässt und zusammen mit seiner Frau in Urlaub fährt, ist er immer noch auf der Hut. „Im Grunde genommen habe ich keine Probleme, wenn ich im Ausland bin“, sagt er, „die hatte ich auch nicht, als ich drei Monate, nachdem ich trocken geworden bin, das erste Mal wegfuhr.“
Aber: Hans hat sich ein paar Muster zurecht gelegt, um sich vor einem ungewollten Rückfall zu schützen. „Bei Speisen, die ich nicht kenne und die mir verdächtig vorkommen, lasse ich immer meine Frau vorkosten. Auch heute noch. Ich will ja nicht mit Alkohol, auch wenn er ,nur' im Essen ist, in Berührung kommen und dadurch einen Rückfall riskieren.“
Problem Zimmerbar
Und da gibt es noch ein Ritual, wenn Hans in einem Hotel übernachtet – vor die Zimmerbar stellt er immer einen Stuhl, über dessen Lehne sein Pullover hängt. „Das mache ich, damit ich die Bar nicht sehe“, schmunzelt er. Ganz am Anfang seines neuen, trockenen Lebens hat er sogar einmal an der Rezeption gebeten, die Zimmerbar auszuräumen. „Das war kein Problem, die haben das gleich gemacht. Heute brauche ich das nicht mehr. Der Stuhl, den ich vor die Bar stelle, ist so etwas wie ein natürlicher Schranken, der mich stoppt, sollte ich in Versuchung kommen.“ Doch für alle, die sich nicht so gefestigt fühlen, ist es am Besten, sie lassen, so wie Hans es tat, die Zimmerbar räumen, damit man, so wie zu Hause auch, eine alkoholfreie Zone hat.

Hier ein paar weitere Tipps:

* Der Urlaubsort sollte wenn möglich nicht der selbe sein, den man noch von seiner „nassen“ Zeit her kennt. Die Gefahr, dass unangenehme und belastende Erinnerungen aufkommen, ist einfach zu groß.

* Vorher informieren, welche Freizeitangebote es in der Urlaubsregion gibt, die nichts mit dem Alkohol zu tun haben. Der Besuch eines Weinbauern, zum Beispiel in Griechenland, Frankreich oder Spanien, ist nicht sehr ratsam.

* All-inklusive-Arrangements stellen eine besondere Herausforderung dar, da alkoholische Getränke meist inkludiert sind. In der ersten Zeit der „Trockenheit“ sollten diese Angebote wenn möglich nicht gebucht werden.

* Man sollte sich schon vorher informieren, wo es Hilfe gibt, falls man einen Rückfall hat. Englischsprachige Meetings der Anonymen Alkoholiker gibt es in vielen Urlaubsländer (siehe unten).

* Die erste Zeit wenn möglich nicht alleine verreisen. Am besten mit jemandem zusammen in den Urlaub fahren, der weiß, dass man trockener Alkoholiker ist. Oder gleich mit einem/einer anderen trockenen AlkoholikerIn die Ferien genießen.

Hotel für trockene Alkoholiker
Ein besonderer Tipp wäre das Hotel Renovatio in der kleinen portugiesischen Stadt Monchique, das sich gezielt an trockene Alkoholiker richtet. Der ehemalige irische Versicherungsmakler Andrew O'Loughlin hat nach einigen Jahren bereits als Jugendlicher zu trinken begonnen und ist seit mehreren Jahren trocken. Als er nach dem Entzug, den er in einer Klinik absolvierte, verreisen wollte, suchte er in Europa nach einem Hotel, in dem es keinen Alkohol gibt. Und da er nicht fündig wurde, beschloss er, ein solches selbst zu gründen – und zwar in Portugal.
Mit dem Hotel eng zusammen arbeiten ein Arzt und ein Psychologe. Und falls ein Gast dennoch einen Rückfall baut, muss er zwar ausziehen, kann aber in einer privaten Klinik, die sich in der Nähe des Hotels befindet, einchecken. Übrigens: Sowohl der Geschäftsführer des Hotels als auch sämtliche Angestellte sind trockene Alkoholiker.
Zum Abendessen Wein, dann ab an die Bar
In einem Interview mit „Zeit online“ antwortete Andrew O'Laughlin auf die Frage, warum Suchtkranke ein eigenes Hotel bräuchten, wie folgt: „Wenn man trinkt, kann man überall hinfahren. Als trockener Alkoholiker kann man das nicht… Beim Abendessen gibt es Wein, danach geht es an die Bar. Die Versuchung ist allgegenwärtig. In unserem Hotel nehmen wir diesen Druck von den Gästen.“ Und weiter: „Ich kenne Leute, die wegen ihrer Sucht mehr als fünf Jahre nicht gereist sind.“
Mal sehen, ob diese Idee Nachahmer findet. Wenn man bedenkt, dass es alleine im deutschsprachigen Raum mehrere Millionen Alkoholiker gibt, könnte ein alkoholfreies Hotel durchaus ein Geschäft sein. Und die Gäste könnten selbst dann, wenn der Urlaub nass und verregnet ist, trocken bleiben.

* Name von der Redaktion geändert

Weitere Infos über englischsprachige Meetings in Europa unter www.aa-europe.net/meetings.php